Der 15. März 2020 wird den Thurgauern noch lange in Erinnerung bleiben: Bei den Wahlen für den Grossen Rat erhielt die SVP in Frauenfeld fälschlicherweise einen Sitz, der eigentlich der GLP zustand. Seit Juni laufen die Ermittlungen wegen Wahlmanipulation. In der «Rundschau» blicken die Betroffenen zurück auf die aufreibenden Ereignisse.
«Eine Achterbahn der Gefühle»
Der GLP-Kantonsrat Marco Rüegg musste seinen Sitz im Kantonsrat hart erkämpfen. Seine Partei und er hatten anhand statistischer Berechnungen festgestellt, dass die Wahlresultate nicht stimmen konnten.
Es folgte ein mehrmaliges Hin und Her mit den Behörden, bis die Wahlzettel neu ausgezählt wurden. Danach ein politisches Hickhack, bis Rüegg den Sitz einnehmen durfte. Heute erwartet er «die volle Aufklärung».
Es war sehr nervenaufreibend.
Es sei wichtig zu wissen, was die Motive des Täters gewesen seien und wie die Person vorgegangen sei. Auch, um aus den Fehlern zu lernen. Dass er selber die Nachzählung initiieren musste, habe ihn enttäuscht: «Es war sehr nervenaufreibend, dass der Aufklärungsprozess nicht von alleine gestartet ist.»
Der mutmassliche Wahlbetrug beschäftigt auch Severine Hänni bis heute. Sie musste ihren Sitz nach monatelanger Ungewissheit an Marco Rüegg abgeben. «Es war für mich eine Achterbahn der Gefühle», sagt die SVP-Politikerin.
Heute überwiege die Wut auf den Täter, der schlussendlich nicht nur sie und Marco Rüegg, sondern vor allem die Wahlbevölkerung betrogen habe. «Wenn die Wähler Zweifel haben, ob ihre Stimme ankommt, ist das verheerend.» Jetzt müsse wieder Vertrauen aufgebaut werden.
Der Kampf kostete viel Geld
Marco Rüegg hat die Anwaltskosten für seinen Kampf aus der eigenen Tasche berappt: «Ein tiefer fünfstelliger Betrag war das.» Es habe sich gelohnt, sagt Rüegg. «Wichtig ist, dass schlussendlich alles sauber abgelaufen ist.»
Anders Stokholm, Stadtpräsident von Frauenfeld, zeigt sich gegenüber der «Rundschau» aber offen, sich an diesen Verfahrenskosten zu beteiligen: «Das müsste man prüfen, wenn Herr Rüegg uns das in die Waagschale werfen würde.»
Es ist mein Anspruch, die Garantie abgeben zu können, dass so etwas nie mehr passiert.
Die Stadt Frauenfeld ordnete zwei Wochen nach dem Wahltag eine Überprüfung der Prozesse an, um Fehler bei künftigen Wahlen auszuschliessen. «Es ist mein Anspruch, die Garantie abgeben zu können, dass so etwas nie mehr passiert», sagt Stokholm.
Die Hintergründe der mutmasslichen Wahlmanipulation sind noch nicht bekannt. Vier Personen wurden von der Staatsanwaltschaft befragt – bekannt ist auch, dass es sich beim mutmasslichen Täter oder der mutmasslichen Täterin nicht um ein Parteimitglied der SVP handelt. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, die Strafuntersuchung in den nächsten Wochen abzuschliessen.