Die letzte Unternehmenssteuerreform schuf neue Steuervorteile für Firmen in unvorhergesehenem Masse. Neue Zahlen der Steuerverwaltung zeigen: Seit 2011 hat die Steuerverwaltung insgesamt fast 2 Billionen Franken als Kapitaleinlagereserven anerkannt.
Das ermöglicht Firmen, ihre Gewinne steuerfrei auszuschütten. Politikerinnen und Politiker verlangen, diese Steuersparmöglichkeit rückgängig zu machen.
Beispiel Galenica
Der Pharma- und Apothekenkonzern, heute Vifor genannt, spaltete letztes Jahr einen Teil der Firma ab und brachte diesen an die Börse. Damit schuf er ein kleines bisschen Aktienkapital und eine riesige Kapitaleinlagereserve von einer halben Milliarde Franken.
Dividenden aus dieser Reserve sind steuerfrei. Das hat die Unternehmenssteuerreform II ermöglicht. Viele andere Firmen machen ebenfalls Gebrauch von diesem Instrument.
Laut einer Aufstellung der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» könnte Galenica für 7 Jahre, UBS für 12 Jahre und Credit Suisse sogar für 28 Jahre Dividenden steuerfrei ausschütten (siehe Tabelle). Die UBS hat an an der Bilanzmedienkonferenz jüngst erklärt, dass sie dies auch dieses Jahr tun wird.
Neue Zahlen zeigen, dass Firmen in der Schweiz seit 2011 steuerbefreite Kapitaleinlagereserven von gegen 2 Billionen Franken angemeldet haben. Woher diese Kapitaleinlagereserven stammen, ist nicht öffentlich.
500 Millionen weniger Steuereinnahmen
Damit verringern sich die Steuereinnahmen um 500 Millionen, erklärt Fabian Baumer, Vizedirektor der Eidgenössischen Steuerverwaltung: «Solche Mindereinnahmen gibt es. Wir haben sie geschätzt, 2011 als das Kapitaleinlageprinzip eingeführt wurde. Das berücksichtigt aber nicht die positiven Effekte, die sich aus der Massnahme ergeben haben.»
Zahlreiche Firmen seien durch dieses Instrument in die Schweiz gelockt worden, heisst es. Auch dazu gibt es allerdings keine Zahlen.
Wirtschaftsanwälte nennen Beispiele wie etwa die beiden US-Ölförderkonzerne Transocean und Weatherford. Oder der fusionierte Zementkonzern HolcimLafarge, dessen Sitz liege wegen des Kapitaleinlageprinzips in der Schweiz. Ihre Angestellten zahlen Steuern in der Schweiz.
Es ist ein absoluter Missbrauch des Steuerschlupfloches aus der Unternehmenssteuerreform II.
Das Steueroptimierungsmodell bleibt aber umstritten. Eine hartnäckige Kritikerin ist SP-Finanzpolitikerin Margret Kiener Nellen: «Es ist ein absoluter Missbrauch des Steuerschlupfloches aus der Unternehmenssteuerreform II, welche der damalige Bundesrat Hansruedi Merz für die Maler, Coiffeure und andere Gewerbler verkauft hat. In Tat und Wahrheit sind es jetzt Grossgesellschaft und Grossaktionäre die in gigantischem Ausmass steuerfreie Dividenden beziehen können.»
WählerInnen nicht genügend informiert
Dieser Effekt war bei der Debatte um die Unternehmenssteuerreform II nicht bekannt. Er zeigte sich erst nach der äusserst knappen Annahme der Volksabstimmung, als die Reform in Kraft gesetzt wurde.
Das Bundesgericht rüffelte den Bundesrat später kräftig. Die Wählerinnen und Wähler seien nicht genügend informiert worden, um sich eine Meinung über die Reform zu machen, so das Urteil.
SP-Nationalrätin Kiener Nellen verlangt im Hinblick auf die nächste Reform mehr Informationen über die Herkunft der rund 2 Billionen Franken an Kapitaleinlagereserven.
«Es ist ganz wichtig, dass endlich die Kantone und der Bund den Stimmberechtigten transparent machen, woher diese Reserven kommen, wohin sie fliessen und welche Branchen beteiligt sind», sagt Kiener Nellen.
Die Finanzpolitikerin erklärt, sie wolle das Steuerschlupfloch wieder stopfen, im Rahmen der Steuervorlage 17, die jetzt mit Hochdruck ausgearbeitet wird. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine. Auch Bürgerliche finden dieses Steuersparvehikel, zumindest in Einzelfällen, fragwürdig.
So sagt der Zuger SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler: «Es gibt Beispiele wie Galenica, die aufzeigen, dass dieses Kapitaleinlageprinzip schlecht umgesetzt worden ist. Natürlich hat die Bevölkerung damit das Gefühl, dass es letztlich um die Umgehung der Steuern auf Dividenden geht.»
Vor dem Hintergrund wäre es ein starkes Zeichen, wenn man das Kapitaleinlageprinzip noch einmal parlamentarisch diskutieren würde
Im Ringen um die Steuervorlage 17 wird etwa eine Erhöhung der Kinderzulagen diskutiert, um die geplanten Steuersenkungen der Linken schmackhaft zu machen. Das sei sachfremd in einer Steuerreform, kritisiert Tännler.
Besser sei es, gewisse Steueroptimierungen zu verunmöglichen. «Vor dem Hintergrund wäre es ein starkes Zeichen, wenn man das Kapitaleinlageprinzip noch einmal parlamentarisch diskutieren würde», meint Tännler.
Abgeordnete halten sich bedeckt
Eine deutliche Aufforderung ans Parlament, in dieser Frage tätig zu werden. Die angesprochenen Abgeordneten halten sich aber bedeckt. In diesem frühen Stadium der Steuervorlage 17 wollen sie sich nicht zu dieser Frage äussern, sagen mehrere Mitglieder der Kommission für Wirtschaft und Abgaben.
CVP-Ständerat Pirmin Bischof, heute Präsident der ständerätlichen Kommission, hat früher in einem Vorstoss gefordert, die Steuerausfälle wegen des Kapitaleinlageprinzips zu begrenzen. Er scheiterte am Widerstand im Nationalrat. Pirmin Bischof bestätigt heute lediglich, dass das Thema wieder auf den Tisch kommen könnte.