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Grossveranstaltungen verboten Berner Gesundheitsdirektion: «Unser Ampelsystem steht auf Rot»

Kaum hat der Bundesrat neue schweizweite Massnahmen beschlossen, prescht der Kanton Bern vor und verbietet Grossveranstaltungen. Dies trifft vor allem den Sport: Ab heute sind in Berner Fussball- und Eishockeystadien nur noch maximal 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen.

Laut einem Bericht des «Tagesanzeiger» könnten schon bald mehrere Kantone nachziehen, darunter Zürich und Basel-Stadt. Gundekar Giebel, Sprecher des Berner Gesundheits- und Fürsorgedirektors Pierre-Alain Schnegg, erklärt die bernischen Beweggründe.

Gundekar Giebel

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Gundekar Giebel ist seit 2017 Kommunikationsverantwortlicher des Berner Gesundheitsdirektors Pierre-Alain Schnegg (SVP). Davor war er Leiter «Elektronische Medien» bei der Post.

SRF News: Bern ist als erster Kanton freiwillig zu dem Regime zurückgekehrt, das vor dem 1. Oktober galt. Weder Bund noch Gesundheitsexperten haben derzeit ein Verbot von Grossveranstaltungen gefordert. Was sind die Gründe für die Massnahme?

Gundekar Giebel: Im Kanton Bern gab es diese Woche eine Verdreifachung der Ansteckungszahlen mit Covid-19. In der Woche zuvor gab es eine Verdoppelung. Wir müssen handeln und Menschenversammlungen vermeiden. Wir müssen das Risiko für Übertragungen mit dem Coronavirus verringern.

Aber gerade die Schutzkonzepte in den Sportstadien werden sehr gelobt und sind laut Statistiken auch wirksam. Beim Berner Eishockey-Verein, dem SCB, und auch bei den Young Boys amtet immerhin der ehemalige Krisenmanager des BAG, Daniel Koch, als Berater.

Es geht nicht um die Schutzkonzepte. Diese mögen in den Stadien funktionieren. Es geht darum, dass viele Leute nicht wissen, dass sie angesteckt sind und sich frei bewegen. Hier müssen wir handeln. Der Kanton erteilt ja die Bewilligungen immer unter dem Vorbehalt, dass man sie rasch und schnell anpassen muss.

Wenn wir eine Verdreifachung der Zahlen haben, ist die Dunkelziffer aber wahrscheinlich sehr hoch.

Wir haben ein Ampelsystem eingeführt. Dieses kann sehr schnell die Farbe wechseln. Jetzt steht es auf Rot. Wir wissen nicht, wie hoch die Dunkelziffer in der Bevölkerung ist. Wenn wir eine Verdreifachung der Zahlen haben, ist die Dunkelziffer aber wahrscheinlich sehr hoch.

YB-Fans mit Masken im Stadion
Legende: Die Gesundheitsdirektion bestreitet das Funktionieren der Schutzkonzepte in den Stadien nicht. Es gehe aber darum, die Ansteckungsgefahren vor und nach einem Match zu verringern. Keystone

Aber die Menschen tragen in den Stadien ja eine Maske.

Vor, nach und auf dem Weg zu den Veranstaltungen – das muss man alles mitberücksichtigen. Man muss die Gesellschaft jetzt ein wenig verlangsamen. Wenn wir die Ansteckungsketten wieder in den Griff kriegen wollen, brauchen wir weniger soziale Kontakte.

Gehört das Vorher und Nachher eines Stadionbesuchs nicht zur Eigenverantwortung?

Ich glaube, wir müssen jetzt das Gleichgewicht finden zwischen der Gesundheit – wir sind verantwortlich dafür, dass die Bevölkerung in bester Gesundheit leben kann –, der Wirtschaft und dem sozialen Leben. Das schaffen wir nur, wenn die Eigenverantwortung funktioniert. Wir wissen es ja: Abstand, Hygiene und viele Tests sind der Schlüssel, damit wir das Virus in den Griff bekommen.

Die Verantwortlichen von SCB und YB sind vom Entscheid überrascht worden und zeigten sich schockiert. Nachgewiesene Ansteckungen gab es laut YB-CEO Wanja Greuel keine.

Das wissen wir nicht. Ungefähr 50 Prozent der Ansteckungen können wir auf Familie und Freundeskreis zurückführen. Bei einem Drittel der Ansteckungen können sich die Leute nicht erinnern, wo sie sich angesteckt haben. Irgendwo müssen diese Ansteckungspunkte sein. Und bei Grossveranstaltungen müssen wir anfangen auszudünnen. Denn sonst werden wir es nicht schaffen. Das Virus wird nicht auf uns warten und auch nicht auf die Schutzkonzepte. Es wird sich weiter ausbreiten, je höher die Dunkelziffer ist.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 19.10.2020, 7.15 Uhr ; 

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