2500 Franken für jedermann. Egal, ob er arbeitet oder in der Sonne liegt. Die Mütter und Väter der Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» möchten nicht mehr und nicht weniger als unsere Bereitschaft, über die Arbeitswelt in einer Weise nachzudenken, wie wir es noch nie getan haben.
Lieber Sinn als Geld
Es geht ihnen also nicht um eine Entscheidung. Das werden sie zu betonen nicht müde. Es ist vielmehr die rational kommunikative Meinungsbildung, was die Initianten im Sinn haben. Nachdenken und reden. Über eine vollständig neue Form menschlichen Wirtschaftens.
Dass wir – bei allen praktischen Vorbehalten – mehr als guten Grund zum Nachdenken hätten, legt Professor Theo Wehner im Gespräch mit SRF News Online eindrücklich dar.
Für den Leiter des ETH-Zentrums für Arbeits- und Organisationspsychologie sind die ökonomischen Initiativen aus jüngster Zeit Ausdruck profunden Überdrusses. «Abzocker-Initiative, 1:12-Initiative, Mindestlohn und 6 Wochen Ferien, alle diese Vorstösse verdanken sich einer in breiten Teilen der Bevölkerung wahrgenommenen Verteilungsungerechtigkeit», sagt Wehner. Und legt gleich nach: «Als Arbeitswissenschaftler bin ich überzeugt, dass wir nicht nur dringend Instrumente brauchen, um diese Ungerechtigkeit auszuräumen, sondern auch welche, um unsere Arbeitsleistung mit Sinn zu erfüllen.»
Bedingungsloses Grundeinkommen
Die Idee ist nicht neu. Bereits der humanistische Philosoph und Heilige Thomas Morus hat sie anfangs 16. Jahrhundert formuliert: die Trennung von Einkommen und Arbeit. In dieser Denkweise ist es nicht die Leistung, die Entlohnung möglich macht, sondern umgekehrt. Unser Einkommen ermöglicht die Arbeit, deren oberstes Ziel sich nicht in der Maximierung von Leistung erschöpft, sondern sich in der Erfüllung sinnstiftenden Handelns erschliesst. Wie entwaffnend diese Logik sein kann, verdeutlicht der Multimillionär und Sympathisant der Idee, Götz Werner, in einem Vortrag im Berner Forum Altenberg anfangs Juni.
«Nicht Geld, sondern Sinn zu erlangen, das ist die neue Währung der «Generation Why», sagt auch Arbeitsforscher Theo Wehner. «Aber unsere aktuelle Arbeitswelt ist eine, die auf Wachstum, Leistungserbringung und Rationalisierung ausgelegt ist.»
«Die Vorstellung, dass es etwas anderes geben kann, als von Lebensnotwendigkeiten erzwungene Biographien, nehmen viele als Bedrohung wahr.»
Soweit die Idee. Aber sind wir Schweizer überhaupt bereit für eine solche Diskussion, die die Paradigmen unserer Leistungsgesellschaft so leichtfüssig an die Wand fährt? Und ist eine Volksinitiative das geeignete Instrument, um das in Erfahrung zu bringen?
Theo Wehner zeigt gleichermassen Verständnis, wie er seine Zweifel hegt. «Ich finde das nicht besonders vielversprechend. Andererseits reden die Menschen seit 500 Jahren von dieser Idee, ohne dass sie gehört wurden.» Jetzt hätten sie halt diese Initiative lanciert und damit den Ball an die Politik weitergespielt.
Allein zwei entscheidende Steine liegen seiner Ansicht nach dem Ansinnen der Initianten im Weg. Der eine ist normativer Natur. Danach sind Volksinitiativen Instrumente zur Entscheidungsfindung. Die Vorstellung, sie könnten in ihrem Verlauf zu kollektiven Oasen visionären Denkens mutieren, ist angesichts der bereits im Vorfeld grassierenden Polemik wohl zu ambitioniert.
Das zweite Hindernis ist für Wehner psychologisch determiniert. Er hat zum Thema mit vielen Menschen gesprochen. Gerade auch mit solchen, von denen man annehmen dürfe, dass sie einem bedingungslosen Geldsegen nicht abgeneigt wären, erzählt Wehner. Aber sich vom Leistungsprimat zu verabschieden, fällt selbst diesen Personen schwer. «Die Vorstellung, dass es etwas anderes geben kann, als von Lebensnotwendigkeiten erzwungene Biographien, nehmen viele als Bedrohung wahr.»
Bedingungslosigkeit ist entscheidend
In der Tat, es ist eben genau die Bedingungslosigkeit des Geldsegens, was diese Rezeptur für sinnerfüllte Arbeit so revolutionär erscheinen lässt.
Nicht zuletzt im Verantwortungs-Diskurs des deutsch-amerikanischen Philosophen Hans Jonas habe sich gezeigt, «...dass die Bedingungslosigkeit das ist, was die Eigenverantwortung für eine sinnbringende Biographie am meisten beflügelt», sagt Wehner. Gebe man dem Menschen hingegen Bedingungen vor, neige er dazu, sich ihnen unterzuordnen, anstatt seinen Bedürfnissen nach Sinnerfüllung.
Ein langer Weg, sagt Wehner, aber darüber nachzudenken lohne sich. Und Denken sei halt immer auch der Wille, Bestehendes zu überschreiten.