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Halbzeit für Bundespräsident Guy Parmelin hat an Statur gewonnen

Der Waadtländer macht im In- und Ausland eine gute Figur, könnte aber als Wirtschaftsminister noch mehr bewirken. So der Tenor nach Parmelins erstem Halbjahr als Bundespräsident.

Sein Start war nicht gut: Als Guy Parmelin 2015 seine Kandidatur für den Bundesrat präsentierte, fiel er vor allem durch mässige Fremdsprachen-Kenntnisse auf. Inzwischen legendär ist seine zögerliche Antwort auf die Frage, wie gut er Englisch spreche: «I can English understand», doch er bevorzuge es, auf Französisch zu antworten, das sei präziser und für ihn einfacher.

Manche fragten sich besorgt, wie sich jemand erfolgreich auf dem internationalen Parkett bewegen könne, der kaum Englisch spricht. Inzwischen wissen wir: Er kann's! Jüngstes Beispiel war der Biden-Putin-Gipfel im Juni in Genf, als er sich mit US-Präsident Joe Biden länger auf Englisch unterhielt.

Parmelin mit Putin und Biden in Genf.
Legende: Bundespräsident Guy Parmelin am 16. Juni 2021 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden in Genf. Keystone

An der Abschluss-Medienkonferenz erzählte er dann auf Französisch von der guten Atmosphäre bei den Gesprächen. Sein Auftreten am Gipfel war staatsmännisch und souverän. Offensichtlich hat Parmelin an seinen Fremdsprachenkenntnissen gearbeitet.

Lob für Corona-Auftritte

Diese Fortschritte zeigten sich auch während der Corona-Pandemie, als Parmelin als Bundespräsident regelmässig über die neusten Entscheide des Bundesrats informierte – auch auf Deutsch, wie im Februar: «Nicht ein geteiltes Land wird diese Epidemie überwinden, sondern ein geeintes Land.»

Nicht ein geteiltes Land wird diese Epidemie überwinden, sondern ein geeintes Land.
Autor: Guy Parmelin Bundespräsident

Für seine Rolle als Bundespräsident erhält er auch von den anderen Parteien Lob. So sagt etwa der Bündner Mitte-Ständerat Stefan Engler: «Ich habe einen durchaus positiven Eindruck von ihm gewonnen in diesem Präsidialjahr.»

Mehr Schwung für Wirtschaft erwünscht

Gute Noten auch von Ruedi Noser. Doch der Zürcher FDP-Ständerat blickt auch auf Parmelins Amt als Wirtschaftsminister und das gescheiterte Rahmenabkommen: «Ich würde mir inhaltlich wünschen, dass er bei den Problemen präsenter ist, welche die Wirtschaft hat. Gerade in der Beziehung Schweiz–EU hat er sich etwas diskret zurückgehalten. Auch beim Forschungsprogramm ‹Horizon Europe› ist ihm offenbar in erster Linie wichtig, dass die Stimmung gut ist, aber die Probleme lässt er gern bei seiner Verwaltung.»

Gerade in der Beziehung Schweiz–EU hat er sich etwas diskret zurückgehalten.
Autor: Ruedi Noser Ständerat, FDP/ZH

Tatsächlich ist Parmelins Bilanz als Wirtschaftsminister nicht berauschend: So wurde etwa seine Agrarpolitik vom Parlament auf die lange Bank geschoben. Und als Mann der grossen Visionen hat sich der 61-jährige Weinbauer bisher nicht profiliert.

Stets auf Bundesratslinie

Profiliert hat er sich hingegen innerhalb des Bundesrats: Er gilt als kollegial und loyal. Dies im Kontrast zum anderen SVP-Bundesrat Ueli Maurer, der gerade während der Pandemie regelmässig Distanz zu den Entscheiden der Landesregierung markierte und stärker die SVP-Linie vertrat.

Parmelin blieb stets auf der Bundesratslinie, wie Ständerat Engler betont: «Ich empfinde ihn als sehr kollegial gegenüber dem Gesamtgremium. Er nahm seinen Kolleginnen und Kollegen öffentlich vor dem Vorwurf der Diktatur in Schutz. Er ist in erster Linie Bundesrat, aber natürlich auch SVP-Mitglied.»

Ich empfinde ihn als sehr kollegial gegenüber dem Gesamtgremium.
Autor: Stefan Engler Ständerat, Mitte/GR

Noch ist sein Jahr als Bundespräsident nicht vorbei – es warten also wohl noch einige Prüfungen auf den Waadtländer. Aber das Lob von verschiedenen Parteien für einen Politiker, der als Bundesrat anfänglich etwas belächelt wurde, ist auffällig.

Parmelin in der Zentralschweiz.
Legende: Bundespräsident Guy Parmelin am 15. Juli 2021 mit den Behörden im vom Hochwasser bedrohten Luzern. Keystone

Ins Bild passt auch eine Episode von Mitte Juli, als der Bundespräsident die Hochwassergebiete in der Zentralschweiz besuchte. Im Stil eines Landesvaters war er präsent, stellte sich aber nicht selbst ins Zentrum: «Wir haben sicher besser antizipiert als 2005/2007, ich hoffe, dass niemand verletzt wird oder dass es Tote gibt wie in Deutschland.»

Rendez-vous, 30.07.2021, 12:30 Uhr

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