Zum Inhalt springen

Handel und Menschenrechte Bundesrat will eigenständige und unabhängige China-Politik

  • Der Bundesrat hat seine China-Strategie 2021–2024 präsentiert. Drei Prinzipien sollen die Beziehungen zu China leiten, wie Aussenminister Ignazio Cassis sagte.
  • Die Schweiz wolle eine eigenständige bilaterale Zusammenarbeit mit China. China solle sich in die liberale Ordnung einfügen und die Politik der Schweiz solle kohärent sein.
  • Menschenrechtsdialog und drittwichtigster Handelspartner: Diese beiden Themen würden die Beziehung zwischen der Schweiz und China definieren, so Aussenminister Cassis weiter.

Der Bundesrat will künftig einheitlicher gegenüber China auftreten. In seiner erstmaligen «China-Strategie» schafft er einen Koordinationsausschuss innerhalb der Bundesverwaltung. Es sei neu, dass das Aussendepartement nicht mehr die Einzigen sein «sollen, dürfen, müssen», sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor den Medien in Bern. So würden alle Eidgenössischen Departemente, aber auch die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft mit einbezogen.

Der Bundesrat suche «gezielt die Zusammenarbeit mit China», heisst es in der Strategie. Er setzt auf einen diskriminierungsfreien Zugang zum chinesischen Markt für die Schweizer Wirtschaft, will aber gleichzeitig weiter auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen. Probleme müssten angesprochen werden.

Mehr Nachhaltigkeit

Die Bundesbehörden seien auch daran, mit Wirtschaftsakteuren in der Schweiz über Massnahmen zur Nachhaltigkeit in der Beziehung mit China zu sprechen. So gebe es runde Tische etwa mit der Textilindustrie, sagte Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Die Firmen seien sich der Risiken bewusst, die es in der Zusammenarbeit mit China gebe, auch für die Reputation.

Cassis sagte, es sei klar, dass die Strategie keine Zielkonflikte lösen könne. Gemeint sind damit etwa Themen wie Spionage und Unterdrückung. Die Strategie solle aber Prozesse definieren, um diese lösen zu können. «Damit Sie mit jemandem deutlich über Probleme sprechen können, müssen Sie zuhause die Probleme klar definiert haben.» Und es sei nur möglich, darüber zu sprechen, wenn gute Beziehungen vorhanden seien.

Dialog in Menschenrechtsfragen

Trotz Schwierigkeiten bleibe der Dialog über Menschenrechtsfragen wichtig. Die Bereitschaft Chinas, darüber zu sprechen, habe abgenommen, während sich die Menschenrechtslage im Land verschlechtere, erklärte Cassis. Die Schweiz solle selbstbewusst, fokussiert und «mit einer Stimme» gegenüber China auftreten, denn «besser ein schlechter Dialog als gar kein Dialog».

Cassis ergänzte, er habe vor einer Woche Chinas Aussenminister über die neue Strategie informiert: «Dies wurde sehr geschätzt. China werde aufmerksam verfolgen, was wir hier und heute machen. Aber diese Offenheit ist wichtig.»

Eckpunkte der Beziehungen Schweiz-China

Box aufklappen Box zuklappen

Die ersten offiziellen Kontakte zwischen der Schweiz und China kamen 1906 zustande. 1918 wurden die Beziehungen in einem Freundschaftsvertrag formalisiert. 1950 anerkannte die Schweiz als einer der ersten westlichen Staaten die Volksrepublik China an.

Nach 1950 sind die Kontakte zur Volksrepublik China auch aufgrund des Kalten Krieges nicht sehr intensiv.

Mit der Lancierung der Politik der Öffnung und der Reformen durch Parteiführer Deng Xiaoping im Jahr 1979 werden die bilateralen Beziehungen ausgebaut.

1991 vereinbaren die Schweiz und China einen jährlichen Menschenrechtsdialog.

Der Besuch des Präsidenten Jiang Zemin am 25. März 1999 in Bern endet mit einem Eklat. Beim offiziellen Empfang versammelten sich Demonstrierende mit Tibet-Fahnen und «Free Tibet!»-Plakaten am Rande des Bundesplatzes. Zemin erklärte Justizminister Arnold Koller: «So etwas habe ich noch nie gesehen - in keinem Land.» Gerettet wurde der Staatsbesuch schliesslich beim Dinner von Bundesrat Adolf Ogi, der einen Bergkristall aus seiner Hosentasche nahm und ihn Zemin schenkte.

2013 wird in Peking das chinesisch-schweizerische Freihandelsabkommen unterzeichnet, das am 1. Juli 2014 in Kraft tritt.

Im April 2019 reist Bundespräsident Ueli Maurer nach Peking und trifft den Präsidenten Xi Jinping. Die Schweiz und China unterzeichnen eine Absichtserklärung im Zusammenhang mit der «Neuen Seidenstrasse». Die Zusammenarbeit entlang der Route soll bei Handel, Investitionen und Projektfinanzierungen ausgebaut werden.

Seit Oktober 2019 ist der Menschenrechtsdialog, der 1991 aufgenommen wurde, praktisch eingestellt. Die USA verfassen eine Stellungnahme zur Politik Chinas im Zusammenhang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren. 22 Staaten schliessen sich mit einer Unterschrift der Stellungnahme an, dazu gehört auch die Schweiz.

Mehr Menschenrechtspolitik gefordert

In einer ersten Reaktion zur neuen China-Strategie vermisst die Gesellschaft für bedrohte Völker Massnahmen für eine kohärente Menschenrechtspolitik. Eine Verbindung von Wirtschaft und Menschenrechten fehle.

Die Schweiz nutze den «Wandel durch Handel» und den Menschenrechtsdialog als Ausrede, Menschenrechte aus den Wirtschaftsbeziehungen auszuklammern. Die neue China-Strategie enthalte trotz Scheiterns dieser beiden Ansätze keine kohärente Menschenrechtspolitik.

Der Organisation fehlen eine Sorgfaltsprüfung für Investitionen und bei Importen mit Verdacht auf Zwangsarbeit etwa aus der Uiguren-Provinz Xinjiang. Im Freihandelsabkommen mit China habe die Schweiz gegen diesen Problemkreis keine Handhabe.

SRF 4 News, 19.03.2021, 15:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel