Die vier afghanischen Beamten landeten vor wenigen Tagen in Genf. Ihr Auftrag: Afghanische Landsleute identifizieren, im Hinblick auf eine Ausschaffung aus der Schweiz. Afghanische Beamte auf offizieller Mission in der Schweiz: Das ist heikel.
Der Schutz der Bevölkerung vor verurteilten Straftätern wiegt stärker.
Daniel Bach, der Kommunikationschef des Staatssekretariats für Migration (SEM) spricht von einer Abwägung, die das SEM habe machen müssen: «Wir wissen alle, dass in Afghanistan die Menschenrechte nicht geachtet werden – das hat die Sache etwas heikel gemacht.» Auf der anderen Seite gebe es das öffentliche Interesse der Schweiz, die Bevölkerung vor verurteilten Straftätern zu schützen. «Wir fanden, dass der Schutz der Bevölkerung schwerer wiegt.»
Taliban akzeptieren nur noch Dokumente aus Kabul
Justizminister Beat Jans hat letztes Jahr entschieden, dass verurteilte afghanische Straftäter mit einer richterlichen Landesverweisung nach Ablauf ihrer Gefängnisstrafen ausgeschafft werden sollen. Bis Ende letzten Jahres kamen fünf solche Rückführungen zustande. Danach aber hat die Taliban-Regierung laut SEM ihre Praxis geändert.
Seither akzeptiert Afghanistan nur noch Reisedokumente, die von den Behörden in Kabul selbst ausgestellt worden sind – die afghanische Botschaft in Bern ist nicht mehr zuständig. Das SEM möchte zurzeit rund 20 Straftäter ausschaffen. Deshalb sei der zweitägige Besuch der afghanischen Beamten aus Kabul nötig gewesen.
Afghanische Delegation verliess Genfer Flughafen nicht
Konkret ging es in Genf um elf afghanische Straftäter und zwei freiwillige Rückkehrer, welche die Delegation hätte identifizieren sollen – als erster Schritt für die Ausstellung von Reisedokumenten. «Die konsularischen Mitarbeiter aus Afghanistan haben die Identifizierung am Flughafen Genf vorgenommen und den Flughafen während diesen zwei Tagen nicht verlassen», sagt Daniel Bach vom SEM. Bei «der Mehrheit» der insgesamt 13 Afghanen habe die Identifizierung geklappt. Ihre Rückführung werde nun weiter vorbereitet. Bei den anderen seien weitere Abklärungen nötig.
Auch andere europäische Staaten haben mit Rückschaffungen nach Afghanistan begonnen. Im Juli stimmte die deutsche Regierung der Stationierung von zwei afghanischen Konsularbeamten in Deutschland zu – diese sollten Rückführungsflüge unterstützen. In der Schweiz sei keine solchen Akkreditierungen von afghanischen Beamten geplant, sagt das SEM.
Grundsatzentscheid steht an
Neben verurteilten Straftätern hält das SEM seit diesem April auch Rückführungen von nicht straffällig gewordenen abgewiesenen Asylsuchenden für grundsätzlich zulässig. Die Praxis-Änderung betrifft volljährige und gesunde Afghanen, die alleine in der Schweiz sind und die ein stabiles und tragfähiges Beziehungsnetz in ihrer Heimat haben.
Bei rund 20 afghanischen Männern hat das SEM seither eine Wegweisung nach Afghanistan angeordnet, zwei Fälle sind rechtskräftig. Die übrigen Betroffenen haben Rekurs eingelegt beim Bundesverwaltungsgericht. Die ersten Gerichtsentscheide dürften Grundsatzcharakter haben.