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Heim für Autisten in der Waadt Eltern und Ex-Mitarbeiter klagen schwere Missstände an

Schläge, Vernachlässigung und Medikamentenkeulen statt gute Betreuung? Die Heimleitung weist alle Vorwürfe zurück.

Darum geht es: Sie sollte eine Vorzeigeeinheit des Heims Genévrier bei Vevey in der Waadt werden – eine Betreuungsgruppe, spezialisiert auf die Bedürfnisse von jungen Erwachsenen mit schwerem Autismus. «Le Bonheur, autrement» lautet ihr Slogan. Aber von «Glück» haben die Eltern der Patienten nichts festgestellt. Sie sind bitter enttäuscht. Journalisten vom Westschweizer Radio RTS haben gravierende Missstände zwischen 2013 und 2017 öffentlich gemacht. Sie stützen sich auf Gespräche mit fünf Eltern von Betreuten und drei ehemaligen Mitarbeitern. Die Patienten selbst können sich wegen ihrer Behinderung nicht äussern.

Heim in der Waadt.
Legende: La Cité du Genévrier – Stadt des Wacholders – wurde speziell für Autismus-Patienten eingerichtet. RTS

Gewalt und chemische Zwangsjacken: Eine Mutter erzählt, dass ihr Sohn regelmässig Hämatome an den Armen hatte, stundenlang sei er in seinen Exkrementen gelassen worden. Die Eltern eines anderen Patienten berichten, dass die Medikamente ihres Kindes um den Faktor fünf bis sechs erhöht worden seien. Die Folge: Ihr Sohn Garry geiferte, zitterte, konnte sich kaum aufrecht halten. Er sei mit einer chemischen Zwangsjacke ruhiggestellt worden. Um die Mitarbeiter zu entlasten, so der Verdacht der Eltern.

Überfordertes Personal: Mehrere ehemalige Mitarbeitende erzählten von überforderten Kollegen, von Ohrfeigen und Sadismus. Ein Mitarbeiter habe einem Patienten mit Essensentzug gedroht, weil der Patient sich selbst schlug. Der Patient sei dadurch in seinen Selbstverletzungen weiter angestachelt statt beruhigt worden. Auch seien Behinderte stundenlang in ihre Zimmer gesperrt und geschlagen worden. Zähne seien den Patienten tagelang nicht geputzt worden.

Heimleitung weist Vorwürfe zurück: Bekannt wurden die Vorwürfe durch ein anonymes Schreiben eines Mitarbeitenden. Die Klinik reagierte mit einer Strafanzeige, die Polizei ermittelte – wegen Verleumdung. Der Direktor des Heims Genévrier, Eric Haberkorn, weist die Vorwürfe zurück. Er wisse nicht, wie die Polizei ermittelt habe, aber Tatsache sei, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Ausserdem hätten zwei Kadermitarbeiter die Gruppe zwei Monate lang täglich beaufsichtigt, ohne Missstände festzustellen. Ganz ausschliessen könne man Missbräuche nie, aber er achte bei Anstellungen darauf, dass drei Viertel des Personals über eine Ausbildung verfügten.

Kanton eröffnet Untersuchung: Ein Bericht des Kantons allerdings bemängelte bereits 2010, dass bei der Kontrolle nur zwei ausgebildete Mitarbeitende anzutreffen waren, sechs weitere seien nur Aushilfen gewesen. Direktor Haberkorn dazu: Die Arbeit mit den Schwerbehinderten sei sehr anstrengend, entsprechend gebe es viele Personalwechsel und es müsse mit Aushilfen gearbeitet werden, was sehr unbefriedigend sei. Aktuell hat das Heim in Vevey sechs Stellen ausgeschrieben. Gewünschter Arbeitsbeginn: sofort. Die Betreuungsgruppe ist inzwischen aufgelöst, nur zwei der Patienten sind noch in Vevey, die anderen wurden umplatziert. Der Kanton Waadt hat eine Untersuchung eingeleitet.

Audio
Misshandlungsvorwürfe gegen Behindertenheim bei Vevey
aus Rendez-vous vom 22.03.2018. Bild: rts
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 56 Sekunden.
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