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Hexenverfolgung Luzerner Opfer der Hexenprozesse erhalten ein Mahnmal

Bei Hexen kannte die Luzerner Justiz der frühen Neuzeit kein Pardon. Jetzt sollen Gedenktafeln an die Opfer erinnern.

Verbrannt, gehängt, enthauptet oder ertränkt: In der Stadt Luzern hat die Obrigkeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert rund 700 Menschen zum Tode verurteilt und hinrichten lassen – darunter gut 300 Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden.

Dieses blutige Kapitel Justizgeschichte soll in der Stadt Luzern nun sichtbarer werden. Das Stadtparlament hat heute einen Vorstoss aus den Reihen der SP angenommen. Dieser fordert Gedenktafeln, die an die Hingerichteten erinnern, und zwar an jenen Orten, an denen die Inhaftierten damals festgehalten, gefoltert, zur Schau gestellt und getötet wurden.

«Die Justiz hat damals unmenschlich gehandelt»

Der stellvertretende Luzerner Staatsarchivar Stefan Jäggi, der zu Hexenprozessen forscht, begrüsst den Entscheid des Stadtparlaments. «Es ist wichtig, an die Menschen zu erinnern, die als Hexen verurteilt wurden – aber auch an die anderen Opfer einer Justiz, die aus heutiger Sicht sehr ungerecht urteilte», sagt er.

Hexenverfolgung in der Schweiz

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Gemäss Schätzungen fanden in Westeuropa zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert rund 110'000 Hexenprozesse statt – gut 10'000 davon auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Als regionale Schwerpunkte der gesamtschweizerischen Hexenverfolgung gelten das Waadtland und Graubünden mit jeweils über 1000 Hexenprozessen. Die weitaus meisten der Hingerichteten waren Frauen.

Als europaweit letztes Opfer der Hexenverfolgung wurde 1782 in Glarus die 47-jährige Magd Anna Göldi hingerichtet. Seit 2014 erinnert ein Mahnmal am Glarner Gerichtshaus an sie.

Auch in Basel gibt es seit 2019 auf der Mittleren Rheinbrücke eine Gedenktafel für die als Hexen hingerichteten Frauen. In Zürich sprach sich das Stadtparlament zwar vor Jahren bereits für ein Mahnmal aus, umgesetzt wurde es bislang aber nicht.

Er wolle nicht so weit gehen, die Rehabilitierung der damals Verurteilten zu fordern, da diese nach damaligen Massstäben ein Delikt begangen hätten, so Jäggi. «Aber als heutige Gesellschaft sind wir verpflichtet zu sagen: Die Justiz hat damals unmenschlich gehandelt.»

Luzerner Hexenprozesse sind gut dokumentiert

Die Luzerner Hexenverfolgungen gehören zu den am besten dokumentierten der alten Eidgenossenschaft. Daraus lasse sich zwar nicht direkt ableiten, dass Luzern eifriger Hexenprozesse durchgeführt habe als andere Orte, sagt Stefan Jäggi. Aber: «Luzern verfügte im 16. und 17. Jahrhundert über eine straff organisierte Obrigkeit und einen ausgebauten Justizapparat, inklusive Henker und Folterknecht», sagt er. Damit habe Luzern mehr Möglichkeiten gehabt als die ländlichen Nachbarstände in der Zentralschweiz. Wobei es auch dort immer wieder zu Hexenprozessen gekommen sei.

Darstellung einer Hexenverbrennung in Schwyz 1571
Legende: In Luzern war ein ausgebauter Justizapparat am Werk, doch auch in anderen Orten der Zentralschweiz wurden Hexen verbrannt. Diese Darstellung zeigt eine Hinrichtung 1571 in Schwyz. Wikimiedia

Luzern hatte in der frühen Neuzeit in mehreren Türmen Gefängnisse eingerichtet. Die als Hexen angeklagten Frauen wurden darin gefoltert, um ihnen das Geständnis abzupressen, sie hätten Umgang mit dem Teufel gehabt. Die meisten dieser Türme wurden im 19. Jahrhundert abgerissen, einer blieb übrig: Der Wasserturm, heute ein beliebtes Fotosujet.

Luzerner Justiz war schnell, wenn es um Hexen ging

Zu welchem Tempo die Obrigkeit bei Hexenprozessen fähig war, zeigt das Beispiel einer Frau, die unter dem Namen Tischmacherin bekannt war und die 1580 hingerichtet wurde: Am 25. August brachten die Behörden sie von Willisau in den Hauptort Luzern, bereits am 31. August wurde sie verbrannt.

Wasserturm mit Kapellbrücke in Luzern
Legende: Der Wasserturm in Luzern: Heute ein beliebtes Fotosujet - in früheren Jarhhunderten ein Gefängnis, in dem auch gefoltert wurde. Keystone

Der Fall sei exemplarisch, sagt Stefan Jäggi, der die Akten dazu aufgearbeitet hat. Die Frau sei alleinstehend gewesen, zugewandert, aus der untersten sozialen Schicht – und habe als streitsüchtig gegolten. Frauen mit nonkonformem Verhalten seien häufig ins Visier geraten. «Wenn sich die Leute damals Krankheiten, Todesfälle oder Wetterphänomene nicht erklären konnten, dann bot sich die Vorstellung an, Hexen steckten dahinter», sagt Jäggi.

1675 war plötzlich Schluss

Das letzte Opfer der Luzerner Hexenverfolgung wurde 1675 hingerichtet, danach hörten die Hexenprozesse im Gegensatz zu anderen Städten «schlagartig» auf, wie Stefan Jäggi sagt. Der Grund dafür ist bis heute nicht bekannt, so Jäggi: «Dieser Aspekt muss noch erforscht werden.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 09.06.2021, 17:30 Uhr ; 

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