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Hilfe für Geflüchtete Sie erklärt Geflüchteten den Alltag in der Schweiz

Lina Shekmous kennt die Schwierigkeiten in der neuen Heimat. Ihren Schützlingen will sie es deshalb leichter machen.

Lina Shekmous weiss, wie man Dinge aufbaut. Die Kurdin hat es während ihrer Ausbildung zur Architektin gelernt. «Bauen ist mein Thema», sagt sie. Sie hat sich deshalb sofort gemeldet, als der Kanton Graubünden Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler suchte.

Dort baut sie zwar keine Häuser auf, sondern Beziehungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Sie macht das aus Überzeugung. Denn sie weiss, was es heisst, eines Tages in ein fremdes Land zu flüchten. Die Erinnerung an ihre eigene Hilflosigkeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz ist Lina Shekmous' Antrieb, selbst zu helfen.

Führung durch den Behördendschungel

Als Kulturvermittlerin hilft Shekmous Geflüchteten, sich in der Schweiz zurechtzufinden. Sie führt durch den Behördendschungel, erklärt Regeln und Gewohnheiten der Schweiz, begleitet die Geflüchteten zu den Ämtern. Sie tut dies freiwillig, einen Lohn gibt es nicht. Der Kanton übernimmt nur die Spesen.

Ihren Schützlingen macht sie klare Ansagen: «Lernt Deutsch, dann stehen euch alle Türen offen. Man wird euch helfen, aber ihr müsst etwas dafür tun, einen Schritt vorwärts machen.» Die Sprache des neuen Alltags zu sprechen sei wichtig, betont sie.

Die Geflüchteten hören Lina Shekmous zu, vertrauen ihr. Sie, die in der Schweiz ihren Weg gemacht hat und die alle Hindernisse kennt, geniesst eine hohe Glaubwürdigkeit. Gerade weil sie selbst einmal flüchten musste. Sie habe dieselben Dinge erlebt und wisse genau, wie schwierig es sei, am Anfang an Informationen zu gelangen.

Nun habe sie die Chance, Dinge zu erklären, den Weg für die Geflüchteten abzukürzen. «Ich verstehe ihre Kultur, aber auch die Schweizer Kultur. Dazwischen eine Brücke zu bauen ist wichtig und schön.»

Lernt Deutsch, dann stehen euch alle Türen offen.
Autor: Lina Shekmous Kulturvermittlerin

Auch andere Kantone arbeiten mit Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittlern. Speziell in Graubünden: Der Kanton setzt die Brückenbauer selbst ein. Er hat erkannt, dass Menschen mit ähnlichem Hintergrund und ähnlicher Geschichte wie die Geflüchteten die Integration schneller vorantreiben können. Auf der anderen Seite haben viele Geflüchtete auch das Bedürfnis, ihren Landsleuten zu helfen, damit sie nicht dieselben Fehler machen müssen.

Dieses Modell funktioniert so gut, dass es der Kanton Graubünden ausweiten will. Solche Brückenbauerinnen und Brückenbauer sollen nicht nur für Menschen aus Krisenregionen eingesetzt werden, sondern bald auch für Wirtschaftsmigranten.

Es kostet Zeit und Nerven

Lina Shekmous sitzt im Zug heimwärts, nach Davos. Sie hat eine jesidische Flüchtlingsfamilie besucht, die gerade in Ilanz angekommen ist. Shekmous erklärte dem Vater, wie man Miete zahlt, richtete dafür bei der Post einen Dauerauftrag ein, begleitete die Familie zur Einwohnerkontrolle.

Die Behördengänge kosten viel Zeit und manchmal auch Nerven – auf beiden Seiten. Immer dazwischen: Lina Shekmous. Sie übersetzt jedes Detail, die Fragen der Geflüchteten, die Antworten der Beamtinnen und Beamten: «Es dauert lange, bis beide Seiten zufrieden sind.»

Zufrieden ist am Ende aber auch Lina Shekmous. Sie empfiehlt das Brückenbauen weiter, wann immer sie kann – auch Einheimischen. «Es zahlt sich aus, mit Ausländern gemeinsam etwas aufzubauen. Wir müssen diese gegenseitige Angst beseitigen.» Gelinge das, werde man nicht selten mit lebenslangen Freundschaften belohnt.

Regionaljournal Graubünden, 26.07.2022, 06:31 Uhr ; 

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