Es gibt berühmtere Uhren als den Mellinger Zeitturm – der Zytglogge Turm in Bern zum Beispiel. Trotzdem ist der denkmalgeschützte Turm in Mellingen (AG) spannend. Der Zeitturm ist ein ehemaliger Wehrturm, seit dem 16. Jahrhundert zeigt eine Uhr der Bevölkerung die Zeit an, eine Glocke schlägt die Stunden. Nun wird die mechanische Uhr saniert und läuft wieder wie früher: mit einem Pendel anstatt mit einem elektrischen Motor.
Vor 20 Jahren war die Umrüstung der Uhr auf eine elektrische Steuerung modern, jetzt kommt die Gemeinde wieder davon ab. Der Betrieb mit Pendel sei für die Uhr besser, der Verschleiss am Uhrwerk mit Elektromotor grösser. Zudem ist die Zuverlässigkeit der Uhr vom Strom und der Stromstabilität abhängig. Und alte Elektroinstallationen sind oftmals ein Risiko, weil hier Brände ausbrechen können.
Die Gemeinde Mellingen gibt 56'000 Franken für die Sanierung der Zeitturm-Uhr aus. Nötig wurde diese, weil die Uhr vor einem Jahr stehen geblieben war. «Die astronomische Uhr ist ein Teil der Mellinger Identität, es gibt nicht mehr so viele astronomische Uhren in der Schweiz», sagt Frau Gemeindeammann Györgyi Schaeffer. Deshalb sei die Uhr der Gemeinde das Geld wert.
Pendel statt Strom
Die für die Sanierung zuständige Aarauer Firma Rüetschi schlug drei Varianten vor, darunter jene der Rückführung zum Pendel. Die beim Antriebswechsel ausgebauten Teile sind nämlich noch alle vorhanden. Diese Variante hat den Gemeinderat überzeugt, die Sanierung läuft seit August.
Das 200 Kilogramm schwere Uhrwerk aus Mellingen wird in seine Einzelteile zerlegt, einige müssen ersetzt werden. Nach dem Zusammenbau folgen Tests. Bevor die Uhr am Mellinger Zeitturm wieder mit Pendel eingebaut wird, läuft sie bei der Firma Rüetschi während zwei Wochen.
Momentan befindet sich das Uhrwerk in einer Werkstatt im Kanton Zürich, einem Aussenstandort der Firma Rüetschi. Christian Thesen kümmert hier sich um das historische Stück. Er wollte seit seiner Kindheit Glockengiesser werden und ist fasziniert von Glocken und historischen Uhrwerken. Ein Unikat sei diese astronomische Uhr, findet auch der Restaurator.
Motor würgte Uhr weiter
Ein Turmmeister musste früher bei jedem Jahreszeitenwechsel die Uhr justieren. Die Temperaturunterschiede verursachten Ungenauigkeiten. Diese Arbeit wollte man sich vor 20 Jahren sparen. Ein elektrischer Motor wurde eingebaut, das Pendel hatte ausgedient. «Die Uhr stand die letzten Jahrzehnte im Turm herum. Als mechanische Uhr aber lief sie nicht. Man wollte keinen Unterhalt betreiben, besonders nicht in der Wintersaison», weiss Restaurator Thesen.
Mit einem Pendel ist die Uhr unkaputtbar.
Der Motorantrieb war praktischer, die Gleitlager wurden dadurch aber stärker abgenützt als gedacht. «Der Motor war grob zur Uhr. Der Pendelantrieb ist der nachhaltigste, der auch für die Uhr vom Abrieb her besser ist. Mit einem Pendel ist die Uhr unkaputtbar», findet der Fachmann.
Es sei ein Trend, dass man zum Pendelantrieb zurückfinde, sagt Thesen, der Uhren aus der ganzen Schweiz repariert und saniert. Das Moderne sei nicht immer die Lösung. Die Uhr von Hand justieren muss trotzdem niemand mehr. Spezielle Magnete gleichen die Abweichungen bei Temperaturschwankungen automatisch aus.