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Hochpreisinsel Der Schweiz-Zuschlag ist oft nicht gerechtfertigt

Der Schweiz-Zuschlag wird oft mit höheren Lohnkosten begründet. Dieses Argument zählt längst nicht immer.

Dass wir in der Schweiz mehr verdienen als unsere nördlichen Nachbaren, ist bekannt. Doch wie viel mehr ist es eigentlich genau? Sind unsere Löhne wirklich drei Mal so hoch wie die in Deutschland, wie das ein «Espresso»-Hörer in einem Kommentar kürzlich geschrieben hat?

Die Kaufkraft von 100 Franken ist in der Schweiz nicht gleich hoch, wie in Deutschland. In Deutschland bekommt man dafür einiges mehr.
Autor: Mathias Binswanger Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz

Mathias Binswanger ist Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, müsse man verschiedene Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland berücksichtigen: «Die Kaufkraft von 100 Franken ist in der Schweiz nicht gleich hoch, wie in Deutschland. In Deutschland bekommt man dafür einiges mehr.» Ebenfalls müsse man einrechnen, dass die Steuern in Deutschland höher seien als in der Schweiz. Berücksichtige man all diesen Faktoren, so verdienten Arbeitnehmende in der Schweiz etwa 1,6 bis 1,8 so viel wie im benachbarten Deutschland.

Weiter gibt Binswanger zu bedenken, dass es in der Schweiz einen breiten Mittelstand gebe. Also Leute, die zwar keine Top-Löhne haben, aber einigermassen gut vom verdienten Geld leben können. In Deutschland sei dies anders. Dort gebe es verhältnismässig viel mehr sogenannte Working-Poor: «Dieser Anteil ist in Deutschland viel grösser als in der Schweiz. Die Betroffenen müssen mit sehr wenig Geld zurechtkommen.»

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Mit Schweiz-Zuschlag Kaufkraft abschöpfen

Den Wohlstand und den hohen Lebensstandard in der Schweiz machen sich viele internationale Unternehmen zunutze: Um den sogenannten Schweiz-Zuschlag abzuschöpfen, schotten die Firmen den Schweizer Markt vom Ausland ab und verlangen in der Schweiz höhere Preise. Mittels Geoblocking wird beispielsweise verhindert, dass Schweizer in ausländischen Online-Shops zu günstigeren Preisen einkaufen. Sie werden dabei automatisch auf den Schweizer Online-Shop mit höheren Schweizer Preisen umgeleitet.

Hier findet in der Schweiz keine Wertschöpfung statt. Die Kleider werden aus dem Ausland direkt in die Schweiz geschickt. Darum müssten die Preise identisch sein.
Autor: Mathias Binswanger Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz

Dort kosten die gleiche Jeans nicht 99 Euro, sondern 150 Schweizer Franken. Laut Binswanger sind solche Preisaufschläge nichtgerechtfertigt: «Hier findet in der Schweiz keine Wertschöpfung statt. Die Kleider werden aus dem Ausland direkt in die Schweiz geschickt. Darum müssten die Preise identisch sein.» Anders sei es bei einem internationalen Schnell-Imbiss: «Dieser muss Schweizer Löhne und Mieten bezahlen. Da ist ein gewisser Zuschlag im Vergleich zum Ausland gerechtfertigt», sagt Binswanger.

Geoblocking ab 2022 verboten

Dem Geoblocking soll es im nächsten Jahr dank einer Änderung des Kartellrechts an den Kragen gehen, sagt Binswanger: «Dann ist es nicht mehr erlaubt, Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten vom ausländischen Onlineshop auf die Schweizer Internetseite mit höheren Preisen umzuleiten.» Eine weitere Änderung betrifft das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dort gibt es neu eine Bestimmung, dass Firmen ihre relative Marktmacht nicht ausnützen dürfen, um in der Schweiz überhöhte Preise zu verlangen.

 

Espresso, 06.12.21, 08:13 Uhr

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