Der Ausgang der bernischen Abstimmung vom 19. Mai stösst in der ganzen Schweiz auf Interesse. Dies, weil der Kanton Bern bei einem Ja zum revidierten Sozialhilfegesetz, beim Grundbedarf unter die Ansätze der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) gehen würde.
Geplant ist, dass der Grundbedarf generell um maximal acht Prozent gekürzt wird. Für jene Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger, welche sechs Monate nach Beginn der Unterstützung weder eine Ausbildung absolvieren noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, soll die Reduktion bis zu 30 Prozent ausmachen.
Zwei Ziele verfolgten Grosser Rat und Kantonsregierung mit der Gesetzesrevision: Arbeiten soll wirtschaftlich attraktiver sein als Sozialhilfe zu beziehen. Und wer Sozialhilfe bezieht, soll stärker motiviert und unterstützt werden, um sich möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Gelinge dies, bleibe die Akzeptanz der Sozialhilfe in der Bevölkerung erhalten.
Die Sozialhilfekosten sind im Kanton Bern von 210 Millionen Franken (2003) auf 469 Millionen Franken im Jahr 2017 angestiegen. Die Sozialhilfequote im Kanton beträgt 4,6 Prozent. Das sei im schweizerischen Durchschnitt «sehr hoch», sagte der zuständige Regierungsrat Pierre Alain Schnegg an einer Medienkonferenz.
Gegen die Gesetzesänderung von Regierung und Parlament wurde erfolgreich das Referendum ergriffen und damit auch ein Volksvorschlag (Gegenvorschlag) eingereicht. Dieser verlangt, dass sich die Sozialhilfe im Kanton Bern nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) richtet. Die Richtlinien sind als Empfehlungen von Fachgremien gedacht und der Kanton kann davon abweichen.
Weiter verlangt der Gegenvorschlag, dass bedürftige Personen, die ab 55 Jahren arbeitslos werden und in der Sozialhilfe landen, zu den Ansätzen der Ergänzungsleistungen (EL) unterstützt werden. Diese neue Regelung würde ältere Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger finanziell deutlich besserstellen als heute.
So hoch ist der Grundbedarf in der Sozialhilfe
Der Abstimmungskampf im Bern wird hart geführt. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die beiden grossen Berner Tageszeitungen nicht über die Änderungen in der Sozialhilfe berichten. Ebenfalls werden im ganzen Kantonsgebiet auffallend viele Podien zum Thema abgehalten.