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Höhere Prämienverbilligung Wie kann sich die Waadt das leisten?

Der Kanton Waadt baut die Hilfe nicht nur für wirtschaftlich schwächere Versicherte massiv aus, sondern auch gegen den allgemeinen Trend.

Ende Jahr erhalten 75'000 Waadtländer Haushalte Post: Betragen die Krankenkassenprämien mehr als zwölf Prozent des steuerbaren Nettoeinkommens des Haushalts, haben sie Anrecht auf eine Prämienverbilligung. Ab nächstem Jahr dürfen die Prämien gar zehn Prozent des Haushalteinkommens nicht mehr übersteigen.

Davon werden Zehntausende profitieren, sagt der Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (SP): «Wir erwarten ungefähr 70'000 Berechtigte mehr bis Ende 2019. Das bedeutet, dass neu 40 Prozent der knapp 800'000 Waadtländer eine Prämienverbilligung erhalten.

Mittelstand explizit berücksichtigt

Zugleich wird auch die Schwelle für den Erhalt von Prämienverbilligungen höher gelegt. Denn der massive Ausbau soll nicht nur die unteren Einkommen entlasten, sondern für allem für den Mittelstand gelten. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern und einem Referenzeinkommen von 90'000 Franken wird somit nächstes Jahr eine Prämienverbilligung von ungefähr 300 Franken erhalten. Bisher gab es nichts.

300 Franken – pro Monat, wohlgemerkt. Das kostet viel Geld. Die Waadt rechnet mit Mehrkosten zwischen 50 und 60 Millionen Franken für nächstes Jahr. So viel mehr ausgeben kann die Waadt aber nur dank der soliden Finanzlage des Kantons: Die Schulden wurden in den vergangenen zehn Jahren abgebaut.

Ausfluss der Unternehmenssteuerreform

Die grössten Parteien FDP und SP einigten sich deshalb auch auf einen Kompromiss und setzen die Unternehmenssteuerreform schon auf Anfang nächsten Jahres um, obwohl diese national immer noch umstritten ist. Mehr Prämienverbilligungen – das ist ein Teil des Ausgleichspakets zur Senkung der Unternehmenssteuern.

Pierre-Yves Maillard.
Legende: Für Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard sind Krankenkassenprämien eine Steuer, die man senken kann. Keystone/Archiv

Waadt korrigiert die Ungerechtigkeit

Andere Kantone hätten in den letzten Jahren ihre Steuern gesenkt, sagt Maillard. Dabei vergesse man aber eines: «Die Krankenkassenprämien sind eine Steuer. Also senken wir eher diese Steuer, weil sie unfair und ungerecht ist und am höchsten im Vergleich zu anderen Steuern.»

Steuern würden auf Einkommen bezahlt, Prämien hingegen würden keine Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der Zahler nehmen, erklärt Maillard. Die Waadt korrigiere nun diese Ungerechtigkeit.

Gesundheitsdirektorenkonferenz erstaunt

Das Vorpreschen der Waadtländer bei den Krankenkassenprämien sei in der Schweiz aussergewöhnlich, sagt dazu Michael Jordi, Zentralsekretär der Konferenz der Gesundheitsdirektoren (GDK). Das Vorgehen sei sowohl bezüglich des Ausbaus relativ einzigartig, als auch vom Niveau her sehr hoch.

Das ist sowohl vom Ausbau her relativ einzigartig wie auch vom Niveau her sehr hoch.
Autor: Michael Jordi Zentralsekretär, Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)

Laut Jordi hat heute rund 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung Anspruch auf eine Prämienverbilligung, Tendenz etwas sinkend. Mit 40 Prozent sei dann natürlich der Kanton Waadt auf der Seite mit dem sehr hohen Anteil.

Vorbild für Genf – SP plant Volksinitiative

So haben die meisten Kantone ihre Ausgaben für Prämienverbilligungen eher gesenkt, zum Beispiel Luzern oder Bern. Die Waadt wird nun genau beobachtet: Einerseits in der Romandie, denn auch die SP in Genf will dieses Modell auf Kantonsebene einführen.

Andererseits will die SP Schweiz die Waadtländer Lösung bald mit einer Volksinitiative in die nationale Politik einbringen. Das Volksbegehren dürfte noch vor Jahresende lanciert werden.

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