Eigentlich ist die 24-jährige Tiziana Gentile eine Angehörige der dritten Ausländergeneration, wie sie im Buche steht. Die Schwyzer Primarlehrerin ist in der Schweiz geboren, bestens integriert, und auch ihre Eltern und Grosseltern lebten und arbeiteten in der Schweiz.
Ich wäre gern Schweizerin. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem andern Land zu leben.
Und doch kann sich Gentile nicht erleichtert einbürgern lassen, weil sie die Kriterien nicht erfüllt. Der Grund: Ihre Eltern haben die obligatorische Schulbildung nicht in der Schweiz absolviert. Eine der Bedingungen für eine erleichterte Einbürgerung lautet nämlich, dass ein Elternteil der Einbürgerungswilligen mindestens fünf Jahre lang in der Schweiz die Schule besucht hat.
Eine allfällige Berufslehre oder eine andere weiterführende Schulbildung wird nicht angerechnet. «Das finde ich schade und nicht nachvollziehbar», sagt Tiziana Gentile dazu. «Ich wäre gern Schweizerin. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem andern Land zu leben.»
Die erleichterte Einbürgerung ist in der Schweiz seit genau vier Jahren in Kraft. Die Schweizer Stimmbevölkerung hatte dieser 2017 mit 60.1 Prozent zugestimmt. Damals gingen die Behörden davon aus, dass 25'000 Personen für die erleichterte Einbürgerung infrage kommen. Seither haben sich allerdings bloss 2'700 Angehörige der dritten Ausländer-Generation einbürgern lassen.
Kriterien schwer zu erfüllen
Die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) kommt in einer Studie zum Schluss, dass für viele Einbürgerungskandidatinnen und -kandidaten die Kriterien, welche im Gesetz definiert wurden, schwer oder nicht erfüllbar sind. Zum Beispiel – wie im Fall von Tiziana Gentile – die Voraussetzung, dass ein Elternteil die obligatorische Schule in der Schweiz besucht hat. Das schliesse gerade Kinder von ehemaligen Saisonniers aus, denen lange das Recht auf Familiennachzug verwehrt wurde.
Hier gibt es die Studie zum nachlesen
Eine weitere Schwierigkeit ist der Nachweis, dass die Grosseltern eine Aufenthaltsbewilligung besassen. Das ist vor allem dann schwierig, wenn die Grosseltern nicht mehr leben oder in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind.
Geteilte Meinungen in Bundesbern
Aufgrund der Studie der EKM ist auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats aktiv geworden. Sie fordert in einer Kommissionsinitiative eine entsprechende Änderung des Bürgerrechtsgesetzes. Samira Marti, Baselbieter SP-Nationalrätin und Kommissionsmitglied, sagt: «Wenn die erleichterte Einbürgerung schwieriger ist als die normale, haben wir ein Problem. Dann ist der Volkswille von 2017 nicht umgesetzt. Und da braucht es Korrekturen.»
Allerdings gab es in der Kommission auch eine starke Minderheit, welche sich gegen eine «Aufweichung» der Kriterien wehrte. Die Aargauer SVP-Nationalrätin Martina Bircher zum Beispiel ist der Meinung, die Hürden seien bereits tief, und mutmasst: «Vielleicht zeigt die tiefe Zahl der Einbürgerung eher, dass das Interesse, sich einbürgern zu lassen, tief ist.»
Tiziana Gentile hofft nun, dass die Bedingungen für eine erleichterte Einbürgerung gelockert werden, sodass auch sie sich auf diesem Weg einbürgern lassen könnte. Vor dem normalen Einbürgerungsverfahren habe sie sich bisher gescheut. Einerseits seien die Kosten hoch. Sie habe aber bis vor Kurzem auch in einer Gemeinde gewohnt, in der besonders viele Einbürgerungswillige den Schweizer Pass nicht erhalten hätten, trotz guter Integration.