Gunten am Thunersee – eine Traumlage. Doch die Visitenkarte hat einen grossen Makel: Direkt am See thront eine Hotel-Ruine. Seit 2007 steht das historische Hotel Hirschen leer und verlottert zusehends.
Schlechte Visitenkarte
Gekauft hatte es damals ein indischer Investor. Er begann auf eigene Faust mit dem Umbau, ohne Baubewilligung, ohne Sachkenntnis, bis ihn die Behörden zurückpfiffen. Seither geht nichts mehr. Der Hirschen gilt in Gunten als Schandfleck.
Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Die Gemeinde Sigriswil, zu der Gunten gehört, hat der Bevölkerung zusammen mit den Investorenvertretern ein neues Projekt vorgestellt. Der teilweise denkmalgeschützte «Hirschen» soll teils saniert, teils neu gebaut werden.
«Beim Hirschenareal kann eine Veränderung nur Verbesserung bringen. So, wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben», sagte Gemeinderätin Silvia Bühler an der Informationsveranstaltung vor der Bevölkerung.
Die Voten an der Informationsveranstaltung geben dem Gemeinderat recht. Dass etwas geht, begrüssen die Leute. Doch dass hauptsächlich Wohnungen geplant sind und kein klassischer Hotelbetrieb, stösst auf Unverständnis. Auch dass der öffentliche Seezugang beschränkt sein soll, kommt nicht gut an. «Die Ortschaft geht relativ leer aus», sagt ein Anwohner, «der Ort gehört dann einfach den Reichen.»
Wird das Zweitwohnungsgesetz umgangen?
Die geplanten Hotelapartments lassen auch Vera Weber von der Stiftung Helvetia Nostra aufhorchen. «Weil die Schweiz ein schönes und sicheres Land ist, möchten die Leute gerne hier wohnen oder eben etwas Lukratives kaufen», sagt sie. Da stelle sich die Frage, ob das Zweitwohnungsgesetz umgangen werde.
34 Prozent beträgt heute der Anteil der Zweitwohnungen in der Gemeinde Sigriswil. Zusätzliche Ferienwohnungen mit kalten Betten sind daher tabu. Der Bau von touristisch betriebenen Ferienwohnungen mit hotelähnlichem Betriebskonzept ist aber erlaubt.
Hotel oder nicht Hotel, das ist hier die Frage
Christian Abplanalp, der Vertreter der Besitzerfamilie, ist daher überzeugt, dass das Konzept rechtlich aufgeht. «Was ist eine hotelmässige Bewirtschaftung? Es heisst eigentlich nichts anderes, als dass der Hirschen in Zukunft – jener Teil, der eben bewirtschaftet wird – wieder ein Hotel ist.»
Vera Weber sieht es anders: «Wenn es keine Hotelzimmer gibt, dann ist es eine klare Umgehung des Zweitwohnungsgesetzes.» Es brauche eine Dienstleistung, eine Rezeption, damit es touristisch bewirtschaftete Hotelapartments seien.
Wenn es keine Hotelzimmer gibt, dann ist es eine klare Umgehung des Zweitwohnungsgesetzes.
Bei den Investoren geht es bei dem hotelähnlichen Betriebskonzept auch darum, die 35 Millionen Franken für den Umbau zu decken. Detaillierte Berechnungen habe man noch nicht gemacht, sagt Christian Abplanalp von der Besitzer-AG, aber: «Wir glauben, dass Hotelzimmer der falsche Weg sind, wir wollen Apartments.»
Die Stiftung Landschaftsschutz will das Projekt nun kritisch begleiten. Und die Bevölkerung kann sich bis Mitte September an der Mitwirkung beteiligen. Baustart wäre frühestens 2024. Die Ruine bleibt also noch eine Weile die Visitenkarte von Gunten.