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Mit der Sanierung kommt die Kündigung der Wohnung
Aus Rundschau vom 12.06.2019.
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Immer mehr Leerkündigungen Mit der Sanierung kommt die Kündigung

  • In der Stadt Zürich wird bei jeder zweiten Sanierung allen Mietern gekündigt.
  • Solche Leerkündigungen bei anstehenden Sanierungen nehmen gemäss Mieterverband auch in anderen Schweizer Städten zu.
  • In Zürich regt sich Widerstand, Betroffene fordern einen Runden Tisch.

Die Mutter wartet, bis ihre Tochter von der Arbeit nach Hause kommt, weil sie sich nicht allein in die Waschküche traut. Die Familie Arslan ist allein zurückgeblieben an der Kannenfeldstrasse 12 in Basel. Alle anderen Mieter sind ausgezogen. Die Arslans leben in einem Geisterhaus. Keine Geräusche von nebenan, keine Türen, die bei den Nachbarn ins Schloss fallen. Nur Stille.

Den Arslans leben seit 22 Jahren in der Wohnung. Jetzt bleiben ihnen sechs Monate, um eine neue Bleibe zu finden. Für die türkische Familie eine grosse Herausforderung: Die Eltern sind beide krank, sie brauchen eine Wohnung mit Lift, möglichst in der Nähe ihres Hausarztes.

Familie Arslan sitzt um einen Tisch.
Legende: Die Familie Arslans muss nach 22 Jahren eine neue Wohnung finden. SRF

Das Haus gehört dem Schweizer Profi-Fussballer Breel Embolo. Die Immobilienverwaltung hat in seinem Auftrag allen Mietern gekündigt. Man habe festgestellt, dass der Zustand der Liegenschaft weder den ökologischen Ansprüchen noch den heutigen Wohnbedürfnissen entspreche, sagte sie gegenüber Medien.

Die Kündigung kam im September letzten Jahres auf Ende März 2019. Zusammen mit dem Mieterverband haben die Arslans für eine Fristerstreckung gekämpft – mit Erfolg. Sie dürfen ein halbes Jahr länger im Haus bleiben, bis September. Aber: «Das hilft uns nicht», sagt Demet Arslan. «Für meine kranken Eltern finde ich einfach keine neue Wohnung.» Vor Gericht kämpfen sie nun für eine weitere Fristerstreckung.

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Aus News-Clip vom 12.06.2019.
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In Zürich bei jeder zweiten Sanierung Kündigung

Kündigungen wegen Sanierungen nehmen laut den regionalen Mieterverbänden zu, vor allem in den Städten. Dort lassen sich die neuen, umgebauten Wohnungen deutlich teurer vermieten.

Das Statistische Amt der Stadt Zürich belegt diesen Trend: Von 2008 bis 2012 kam es bei 25 Prozent der Wohnungsumbauten zu einer Leerkündigung. 2014 bis 2016 betrug dieser Anteil 46 Prozent, also fast das Doppelte. Eine Bevölkerungsbefragung 2015 der Stadt Zürich zeigt, dass jeder zehnten Person die letzte Wohnung vom Vermieter gekündigt wurde. Bei 37 Prozent wegen Umbau des Hauses.

Diesen Trend bestätigen auch die Mieterverbände in Basel, Bern und in der Ostschweiz. Vor allem in den städtischen Agglomerationen dieser Kantone komme es vermehrt zu Leerkündigungen. Zahlen zum Phänomen können die Mieterverbände aber nicht vorlegen, weil diese nicht erhoben würden.

Die Kündigungen sind besonders schmerzhaft, weil die Mieter meist keine Wohnung mehr zum Preis der alten bekommen. Laut offizieller Statistik beträgt in der Stadt Zürich die Median-Miete einer 3-Zimmer-Wohnung bei einem bestehenden Mietverhältnis 1420 Franken. Eine leerstehende Wohnung mit ähnlicher Grösse kostet 2420 Franken.

Protestierende mit einem Plakat: Häuser nicht verschwenden.
Legende: Bewohner im Brunau-Park in Zürich verteidigen ihre Wohnsiedlung. SRF

Es ist nicht nur eine höhere Miete, die die Bewohner bei einem zwangsweisen Wohnungswechsel auf sich nehmen müssen. Viele leben auch in einer Hausgemeinschaft, die ihnen ans Herz gewachsen ist.

So etwa im Zürcher Braunau-Park. Die Besitzerin, die Pensionskasse der Credit Suisse Group, will den Gebäudepark grösstenteils abreissen und neu bauen. «Ich kenne alle Leute und alle kennen mich», sagt Bewohner Matyas Sagi-Kiss. «Es ist ein Dorf, und jetzt wird es liquidiert.»

Sagi-Kiss ist gelähmt, er sitzt im Rollstuhl. Im gleichen Haus wohnen seine Eltern, die sich um ihn kümmern. «Wenn ich wegziehe, brauche ich die Hilfe der Spitex», sagt der junge Mann. Das werde teurer und anonymer, als wenn er seine Eltern beanspruche.

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Matyas Sagi-Kiss: «Ich kenne alle und sie kennen mich. In einem neuen Haus ist das unrealistisch»
Aus News-Clip vom 12.06.2019.
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260 zusätzliche Wohnungen

Die Bewohner des Brunau-Parks sammeln Unterschriften für den Erhalt der Gebäude, die aus den 1980er und 1990er Jahren stammen. Sie wollen, dass die Pensionskasse der CS ihre Kündigungen zurücknimmt und fordern einen Runden Tisch, an dem beide Seiten miteinander aushandeln, welche Modernisierungen gemacht werden.

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Viele Mieter sind von der Kündigung überrascht worden, weil einige der Häuser vor acht Jahren komplett saniert worden sind mit neuen Fenstern, neuer Küche und dem Einbau einer Gästetoilette.

Die Credit Suisse teilt auf Nachfrage der «Rundschau» mit: «Das Grundstück des Brunau-Parks bietet die Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und das Quartier langfristig aufzuwerten.» Das Projekt sehe 260 zusätzliche Wohnungen vor. Diese Zahl zusätzlicher Wohnungen auf dem Areal sei nur mittels des Abrisses mehrerer Gebäude möglich.

Rafael Bollag
Legende: Rafael Bollag hat wenig Hoffnung, dass er eine andere geeignete Wohnung findet. SRF

Viele Mieter dürften in dem Jahr, das ihnen bleibt, ein neues Zuhause finden. Für Rafael Bollag, einem orthodoxen Juden im Pensionsalter, sieht das anders aus: «Ich bete dreimal täglich, am Sabbat muss ich in die Synagoge, und zwar zu Fuss.» Er brauche ein Zuhause, das nicht mehr als eine halbe Stunde Fussweg vom Gotteshaus entfernt sei. Viel Hoffnung, dass er etwas Entsprechendes findet, macht sich Bollag nicht.

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