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Impuls zur Sicherheitspolitik «Die Schweiz ist auf eine Kooperation mit der Nato angewiesen»

Die Sicherheitslage in Europa hat sich verschärft. Ein neuer Bericht gibt Impulse für die Sicherheitspolitik der Schweiz.

Nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Sicherheitslage in Europa verändert. Was bedeutet das für die Schweiz?

Das VBS hat vor anderthalb Jahren einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem eine breit abgestützte Kommission neue sicherheitspolitische Impulse für die Schweiz liefern soll. Im Tagesgespräch ordnet die politische Philosophin und Autorin des Berichtes, Katja Gentinetta, das Papier ein.

Katja Gentinetta

Politikphilosophin und Universitätsdozentin

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Katja Gentinetta ist Politikphilosophin, Publizistin und Universitätsdozentin. Für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK begleitet sie Unternehmen und Institutionen in ihrer strategischen Entwicklung und berät sie bei gesellschaftspolitischen Herausforderungen. Zudem referiert, publiziert und moderiert sie im In- und Ausland zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen. Während vier Jahren moderierte sie beispielsweise die SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie».

Katja Gentinetta hat in Zürich und Paris Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert. Nach ihrer Promotion in politischer Philosophie hat sie sich in Harvard und Salzburg in Kultur- und Verwaltungsmanagement weitergebildet. Geboren und aufgewachsen ist Katja Gentinetta im Wallis. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Lenzburg AG und Paris.

SRF News: Die Kommission wurde teilweise kritisiert, sie sei willkürlich mit Personen besetzt worden, die den Kurs des VBS unterstützten, es hätte wenig Raum für Diskussionen gegeben. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Katja Gentinetta: Das kann man so sehen, aber so ist es nicht gewesen. Ich verstehe, dass die Parteimitglieder von ganz links und ganz rechts mit der Zusammensetzung nicht einverstanden sind, weil sie in dieser Konstellation in der Minderheit sind. In der parlamentarischen Konstellation sind die beiden Pole zusammen in der Mehrheit und können Geschäfte blockieren, was sie in dieser Kommission nicht können. Das ist unangenehm. Im Text haben wir versucht, den unterschiedlichen Auffassungen insofern gerecht zu werden, als dass wir alle Empfehlungen mit klaren Stimmenverhältnissen hinterlegt haben, die auch die Diskussion in der Kommission widerspiegeln.

Zwei Frauen bei einer Pressekonferenz mit Schweizer Flagge im Hintergrund.
Legende: Bundespräsidentin Viola Amherd zum Studienbericht: «Die Kommission arbeitete ergebnisoffen. Es ging uns darum, eine Aussensicht einzuholen und einen Beitrag für die sicherheitspolitische Diskussion zu erhalten.» Keystone/ANTHONY ANEX

Von welcher Bedrohungslage in der Schweiz ist die Kommission beim Verfassen des Berichts ausgegangen?

Die USA als demokratischer Garant des liberalen Westens werden von China herausgefordert. Demokratien werden von Autokratien herausgefordert. Und Europa wird von Russland herausgefordert. Diese drei Parameter können wir klar benennen.

Die Nato hat überhaupt kein Interesse daran, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgibt. Aber sie hat ein Interesse daran, dass man gemeinsam für die Sicherheit Europas einsteht.

Wir müssen davon ausgehen, dass sich die USA aufgrund des China-Taiwan-Konflikts auf den Indopazifik konzentrieren werden, und das bedeutet, dass die Nato in Europa auf sich allein gestellt ist. Wenn wir das Ganze betrachten, sehen wir, dass die Sicherheit in Europa am ehesten gefährdet und die Schweiz indirekt oder teilweise auch direkt betroffen ist.

Eine zentrale Aussage im Bericht ist, dass die Schweiz enger mit der Nato und der EU im Bereich Sicherheit zusammenarbeiten muss. Was heisst das konkret?

Bei einem Grossangriff ist die Schweiz auf Kooperation angewiesen. Diese Kooperation findet logischerweise mit der Nato statt. Es braucht eine Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus, und diese Zusammenarbeit muss geübt werden.

Weshalb braucht die Armee so viel Geld?

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Die Schuldenbremse konnte in den letzten Jahren oft nur eingehalten werden, weil auf Kosten der Armee gespart wurde, sagt Gentinetta. Das Problem sähe sie und die Kommission nicht nur in der Schweiz: Ganz Europa habe massiv abgerüstet, erklärt die Philosophin weiter. «Die Realität ist, dass die Schweizer Armee heute nur noch zu einem Viertel bis einem Fünftel einsatzfähig ist, was der heutigen Bedrohungslage nicht angemessen ist. Wir können die Armee im Ernstfall nicht über Nacht aufbauen. Das braucht Zeit.»

Wäre die Nato überhaupt an einer engeren Zusammenarbeit mit der Schweiz interessiert? Denn im Ernstfall, wenn ein Nato-Land angegriffen wird, würde sich die Schweiz nicht an der Verteidigung beteiligen.

Die Nato macht deutlich, dass sie kein Interesse daran hat, dass die Schweiz eine Sicherheitslücke in Europa darstellt. Es muss glaubhaft vermittelt werden, dass Europa als Ganzes abschreckend ist. Deshalb braucht es eine Zusammenarbeit mit der Schweiz, einem Land in der Mitte Europas. Es braucht eine Form der Zusammenarbeit, die die Neutralität wahrt. Die Nato hat überhaupt kein Interesse daran, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgibt, aber sie hat ein Interesse daran, dass man gemeinsam für die Sicherheit Europas einsteht und gemeinsame Übungen durchführt.

Aus dem Tagesgespräch mit Simone Hulliger. Mitarbeit: Géraldine Jäggi.

Tagesgespräch, 29.08.2024, 13:30 Uhr ; 

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