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Wanderung durch das Simmental Warum gehen Männer in Naziuniformen auf Wanderschaft?

Männer aus verschiedenen europäischen Ländern wandern in Naziuniformen durchs Simmental. Strafrechtlich hat das keine Folgen: Denn das Schweizer Gesetz verbietet das Tragen von Nazi-Symbolen aktuell nicht. Daniel Glaus, Fachredaktor für Extremismus bei SRF, erklärt, was die «Wandergruppe» in Wehrmachtsmontur antreibt – und warum sie sich ausgerechnet die Schweiz ausgesucht hat.

Daniel Glaus

Fachredaktor Extremismus

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Daniel Glaus ist seit 2015 Inlandredaktor beim Schweizer Fernsehen, zu seinen Dossiers zählen Extremismus und Terrorismus. Zuvor arbeitete der Investigativjournalist beim Recherchedesk von «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche».

Warum gehen Männer in Naziuniformen auf Wanderschaft?

Die genaue Zusammensetzung der Gruppe kennen wir nicht. Für eine vertiefte Analyse wäre es wichtig herauszufinden, welche Profile diese Männer haben, welchen Gruppierungen sie allenfalls angehören und ob sie schon einschlägig aufgefallen sind. Laut ersten Hinweisen könnte es sich um eine Gruppierung handeln, die sich laut eigener Beschreibung der historischen Nachstellung widmet. Dass sie dafür Wehrmachtsuniformen wählt, lässt kaum Fragen über ihre Gesinnung offen.

«Wandergruppe» mit einschlägiger Kleiderordnung

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Wandergruppe
Legende: Beunruhigende Zufallsbegegnung im Gebirge: Im Berner Oberland ging eine Gruppierung mit Nazi-Montur auf Wanderschaft. SRF

Die Gruppierung besteht gemäss eigener Darstellung auf einer in den USA lokalisierten Website aus Männern aus den USA und mehreren europäischen Ländern, die seit 2009 aktiv sind. Sie beschreiben sich selber als «apolitisch», Teilnehmer dürfen nicht in extremistischen Organisationen involviert sein. Gleichzeitig legen sie Wert darauf, dass die Uniform nach Vorgaben der «Heereshochgebirgsschule» von 1939 getragen wird, ein 20-seitiges Dokument auf der Website der Gruppe macht präzise Angaben, inklusive des Hakenkreuzes.

Es scheint allerdings, dass diese Gruppe nicht öffentliche Aufmerksamkeit gesucht hat, sondern für sich bleiben wollte. Sonst hätten sie durch eine Innenstadt laufen können. Die Idee hinter solchen Aktionen könnte sein, eine Art Gedenken abzuhalten und damit die Nazizeit zu glorifizieren. Zudem geht es meist darum, das interne Gruppengefühl zu stärken, Prüfungen und Härtetests zu bestehen.

Passt die Gruppe ins gängige Schema heutiger Rechtsextremisten?

Es gibt Neonazis in Massanzügen, in Springerstiefeln und es gibt solche, die wie Influencer auftreten. Manche wollen Propaganda betreiben und drängen mit eigenen Social-Media-Kanälen in die Öffentlichkeit, andere bleiben klandestin. Das Spektrum ist also breit. Es lässt sich aber durchaus beobachten, dass Rechtsextremisten mit Uniformen aus der NS-Zeit auftreten – allerdings eher im Ausland.

Tag der Ehre 1998 in Budapest.
Legende: Ein Beispiel für die Nazi-Nostalgie: Beim «Tag der Ehre» in Budapest treten Rechtsextreme, Neonazis und Identitäre alljährlich in Uniformen der Wehrmacht und Waffen-SS auf. Damit verklären sie die Soldaten aus der NS-Zeit als Helden. Wikicommons

Dass eine Gruppe mit so eindeutigen Naziuniformen auftritt, ist in der Schweiz ungewöhnlich. Hierzulande haben Rechtsextremisten wiederholt unter falschen Angaben Räumlichkeiten wie Waldhütten für Konzerte angemietet. Für die Anlässe reisten teilweise auch Teilnehmende und einschlägige Bands aus dem Ausland an. Insgesamt ist die Zahl der bekannten rechtsextremen Anlässe in der Schweiz aber eher tief – vor allem auch im Vergleich mit der linksextremen Szene. Hier ist die Frequenz der Anlässe deutlich höher.

Ist die Schweiz besonders attraktiv für solche Gruppierungen?

Das Tragen von Nazi-Symbolen ist in der Schweiz bislang nicht verboten. Dies dürfte eine Rolle dabei gespielt haben, dass sich die Gruppe die Schweiz für ihre Wanderung aussuchte. Man kann davon ausgehen, dass die Organisatoren solcher Anlässe die lokale Rechtslage kennen. Wahrscheinlich nahmen auch Schweizer an der Wanderung teil. Sie dürften genau wissen, was hierzulande erlaubt ist und was nicht.

Bundesrat will Nazi-Symbole in der Öffentlichkeit verbieten

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Rechtsradikale im August 2007 auf dem Rütli.
Legende: Auch das Zeigen des Hitlergrusses soll in Zukunft verboten sein: Rechtsradikale im August 2007 auf dem Rütli. Keystone/Sigi Tischler

Der Bundesrat will nationalsozialistische Symbole und Gesten in der Öffentlichkeit verbieten, wie er im Dezember 2024 bekanntgab. Wer gegen das Verbot verstösst, soll eine Busse von 200 Franken erhalten. Die Landesregierung folgt damit dem Auftrag des Parlaments: National- und Ständerat hatten im Vorfeld eine entsprechende Motion gutgeheissen.

Rassismus und Antisemitismus seien in einer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft inakzeptabel, schrieb der Bundesrat in seiner damaligen Mitteilung. Aufgrund der Zunahme von antisemitischen Vorfällen in der Schweiz halte er ein Verbot von Symbolen im Zusammenhang mit dem Dritten Reich für besonders dringend.

Heute ist das Verwenden von Nazi-Symbolen nicht strafbar, wenn die damit verbundene Ideologie nicht aktiv propagiert wird. Untersagt sind sie hingegen im Zusammenhang mit der Werbung für die Ideologie, für die sie stehen.

Verhindert werden können die Nazi-Wanderung durch ein Verbot wohl eher nicht, schätzt SRF-Redaktor Daniel Glaus: «Die Polizei hätte die Gruppe dann aber nicht unbehelligt ziehen lassen müssen.» Bussen oder Strafverfahren reichten allerdings nicht aus, um Radikalisierte von ihrer Ideologie abzubringen, hält Glaus abschliessend fest: Interventionen und Präventionsarbeit seien unerlässlich – gerade auch bei Jugendlichen.

Gerade im Vergleich mit Deutschland ist die Gesetzeslage in der Schweiz derzeit deutlich weniger streng. Deshalb gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Fälle, in denen deutsche Neonazis in die Schweiz ausgewichen sind. Grosse Aufmärsche mit Nazi-Insignien gab es in der Schweiz aber bislang nicht. Die Gruppe im Simmental hatte zudem eine überschaubare Grösse – auch wenn dieser Aufmarsch für die Opfer des NS-Regimes ein absoluter Hohn ist.

SRF 4 News, 22.7.2025, 7:40 Uhr ; 

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