Männer aus verschiedenen europäischen Ländern wandern in Naziuniformen durchs Simmental. Strafrechtlich hat das keine Folgen: Denn das Schweizer Gesetz verbietet das Tragen von Nazi-Symbolen aktuell nicht. Daniel Glaus, Fachredaktor für Extremismus bei SRF, erklärt, was die «Wandergruppe» in Wehrmachtsmontur antreibt – und warum sie sich ausgerechnet die Schweiz ausgesucht hat.
Warum gehen Männer in Naziuniformen auf Wanderschaft?
Die genaue Zusammensetzung der Gruppe kennen wir nicht. Für eine vertiefte Analyse wäre es wichtig herauszufinden, welche Profile diese Männer haben, welchen Gruppierungen sie allenfalls angehören und ob sie schon einschlägig aufgefallen sind. Laut ersten Hinweisen könnte es sich um eine Gruppierung handeln, die sich laut eigener Beschreibung der historischen Nachstellung widmet. Dass sie dafür Wehrmachtsuniformen wählt, lässt kaum Fragen über ihre Gesinnung offen.
Es scheint allerdings, dass diese Gruppe nicht öffentliche Aufmerksamkeit gesucht hat, sondern für sich bleiben wollte. Sonst hätten sie durch eine Innenstadt laufen können. Die Idee hinter solchen Aktionen könnte sein, eine Art Gedenken abzuhalten und damit die Nazizeit zu glorifizieren. Zudem geht es meist darum, das interne Gruppengefühl zu stärken, Prüfungen und Härtetests zu bestehen.
Passt die Gruppe ins gängige Schema heutiger Rechtsextremisten?
Es gibt Neonazis in Massanzügen, in Springerstiefeln und es gibt solche, die wie Influencer auftreten. Manche wollen Propaganda betreiben und drängen mit eigenen Social-Media-Kanälen in die Öffentlichkeit, andere bleiben klandestin. Das Spektrum ist also breit. Es lässt sich aber durchaus beobachten, dass Rechtsextremisten mit Uniformen aus der NS-Zeit auftreten – allerdings eher im Ausland.
Dass eine Gruppe mit so eindeutigen Naziuniformen auftritt, ist in der Schweiz ungewöhnlich. Hierzulande haben Rechtsextremisten wiederholt unter falschen Angaben Räumlichkeiten wie Waldhütten für Konzerte angemietet. Für die Anlässe reisten teilweise auch Teilnehmende und einschlägige Bands aus dem Ausland an. Insgesamt ist die Zahl der bekannten rechtsextremen Anlässe in der Schweiz aber eher tief – vor allem auch im Vergleich mit der linksextremen Szene. Hier ist die Frequenz der Anlässe deutlich höher.
Ist die Schweiz besonders attraktiv für solche Gruppierungen?
Das Tragen von Nazi-Symbolen ist in der Schweiz bislang nicht verboten. Dies dürfte eine Rolle dabei gespielt haben, dass sich die Gruppe die Schweiz für ihre Wanderung aussuchte. Man kann davon ausgehen, dass die Organisatoren solcher Anlässe die lokale Rechtslage kennen. Wahrscheinlich nahmen auch Schweizer an der Wanderung teil. Sie dürften genau wissen, was hierzulande erlaubt ist und was nicht.
Gerade im Vergleich mit Deutschland ist die Gesetzeslage in der Schweiz derzeit deutlich weniger streng. Deshalb gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Fälle, in denen deutsche Neonazis in die Schweiz ausgewichen sind. Grosse Aufmärsche mit Nazi-Insignien gab es in der Schweiz aber bislang nicht. Die Gruppe im Simmental hatte zudem eine überschaubare Grösse – auch wenn dieser Aufmarsch für die Opfer des NS-Regimes ein absoluter Hohn ist.