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In Zeiten des Terrors Jodeln als Gesellschaftskitt

Rund 10‘000 aktive Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger haben sich am letzten Wochenende in Brig getroffen. Der Unrast der Zeit setzen sie Gemeinsinn und traditionelles Schweizer Brauchtum entgegen.

Wohin man sich bewegt an diesem Wochenende in Brig: Immer wieder stimmt ein Jodler oder eine Jodlerin ein Lied an. Es folgt eine weitere Stimme, bis ein vielstimmiger Chor harmonisch im Jodel schwelgt, umringt von ergriffenen Zuschauern.

Eine Harmonie, die im Alltag zunehmend abhanden kommt, wird hier reanimiert und zieht Festbesucher nicht nur aus ländlichen Gebieten in ihren Bann. «Hier kann ich mich irgendwo an einen Tisch setzen und ich gehöre dazu. Man nimmt mich, so wie ich bin», sagt ein Jodlerin aus Solothurn.

Ein Mann aus Zürich meint: «Es ist erschreckend, was rundherum in der Welt passiert. Hier sieht man, wie Leute friedlich zusammen sein können – und man kann all die negativen Nachrichten vorübergehend vergessen.»

Verbindende Tradition als Stärke der Schweiz

Die friedliche und ausgelassene Stimmung in Brig beeindruckt auch Bundesrat Alain Berset. Gegenüber der «Rundschau» bezeichnet er den Gemeinsinn der Jodler als wichtigen Sicherheitsfaktor für die Schweiz. «Sich persönlich zu sehen, Werte und Geschichte zu teilen, aber auch Perspektiven – das schafft eine grosse Stärke für das Land», sagt Berset, dessen Mutter ebenfalls begeistert Alphorn spielt.

Mit verwunderten Blicken verfolgt eine Gruppe britischer Journalisten den Umzug. Ausgelassene Stimmung mit Zehntausenden von Zuschauern und weit und breit keine bewaffneten Sicherheitskräfte: Die terrorgeplagten Briten wähnen sich auf einer Insel der Glückseligkeit: «Es wird mir hier klar, dass wir eigentlich in Friedenszeiten leben, trotz der Bedrohung durch den Terrorismus», sagt die Journalistin Liz Gill aus London. «Wir haben keinen Krieg, wie Jahrhunderte davor. Das ist doch Grund genug zu feiern, wie es die Schweizer hier tun.»

Diskrete Sicherheitskräfte – positive Bilanz

«Wer zusammen jodelt, der kann nicht streiten», ist ein Jodler aus Brienz überzeugt. Die Bilanz gibt ihm Recht: Obwohl der Alkohol an diesen drei heissen Tagen reichlich fliesst, muss die Polizei nur rund ein Dutzend Mal ausrücken. Meist wegen kleinen Rangeleien. Mit rund 500 Kollegen sorgt Franz Imhasly für die Sicherheit: «Wir wollen ein Fest feiern, keinen Bunker errichten».

Ganz kann die Aussenwelt aber auch im Wallis nicht weggejodelt werden: Imhasly liess im Vorfeld auf sämtlichen Zufahrtstrassen zum Festgelände Betonblöcke platzieren. Als Reaktion auf die Attentate mit Fahrzeugen in Frankreich und Deutschland.

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