Indiskretionen hat es in der Schweizer Politik schon früher gegeben. Und sie haben immer wieder für Ärger gesorgt, wie der PR-Berater und frühere Kommunikationschef von Bundesrat Leuenberger, Hugo Schittenhelm, erzählt.
Derzeit scheint die Situation jedoch schwerwiegender zu sein. Zum einen ist da die schiere Anzahl der Indiskretionen in letzter Zeit: der Geheimbericht zur Crypto-Affäre, Informationen im Vorfeld von bundesrätlichen Corona-Entscheiden, Details zu Verhandlungen mit der EU, das Seilziehen um den neuen Kampfjet und nicht zuletzt die privaten Geschichten von Alain Berset.
Externer Ermittler wirbelt Staub auf
Und zum anderen verweist Politikwissenschaftler Claude Longchamp auf die Massnahmen, die gegen die Indiskretionen ergriffen wurden. So sei ein externer Ermittler eingesetzt worden, der eine Ausweitung seines Mandats verlangt habe.
Zudem seien drei Mitarbeiter aus zwei sehr wichtigen Departementen betroffen. «Das ist eine sehr aussergewöhnliche Situation, die nicht noch mehr eskalieren darf.»
Es ist eine sehr aussergewöhnliche Situation, die nicht noch mehr eskalieren darf.
Und der erfahrene Politbeobachter Longchamp ist sich sicher, dass die Eskalation der Situation mit der Pandemie zu tun habe. «Corona war auch ein Moment, in dem es im Bundesrat Rivalität gab.» Das Gesundheitsdepartement sei federführend gewesen, ausserdem seien die Pandemiemassnahmen von vielen Seiten kritisiert worden.
Berset wegen der Pandemie im Fokus?
Das erklärt möglicherweise, warum Gesundheitsminister Alain Berset jetzt im Fokus steht: auf der einen Seite als Opfer von Indiskretionen, auf der anderen Seite besteht aber auch der Verdacht, dass andere Indiskretionen aus seinem Departement stammen.
Hinzu kommt, dass auch das Wahljahr 2023 bereits seine Schatten vorauswirft: Sowohl bei der SP wie auch bei der FDP ist es unsicher, ob sie nach den Wahlen noch zwei Bundesratssitze für sich beanspruchen können.
Und gerade Departemente, die von diesen Parteien geführt werden, sind jetzt im Visier des Sonderermittlers. Neben Bersets Innendepartement ist dies das FDP-geführte Aussendepartement.
Geschwächter Cassis
Die Frage ist, ob das den Departementschefs politisch schadet. «Cassis ist auf jeden Fall geschwächt», sagt Longchamp. Er habe bei seiner Wahl kein bravouröses Resultat erzielt, die Forderung der Grünen auf den Bundesratssitz stehe immer noch im Raum. «Und solche Vorwürfe von Indiskretionen können zu einer weiteren Schwächung führen.»
Wenn es um Indiskretionen geht, dann sind viele Köche am Kochen.
Wer vertrauliche Informationen an Medien weitergibt, verbindet das meistens mit ganz gezielten Interessen – etwa, um einen politischen Entscheid zu beeinflussen, dem eigenen Bundesrat zu helfen oder einem anderen Bundesrat zu schaden.
Als Urheber kommen verschiedene Personen infrage, sagt PR-Experte Schittenhelm. So seien die Kommunikationsabteilungen der Departemente in den letzten Jahren stark gewachsen – «da gibt es viele Akteure». Oder Parlamentarier wollten sich für ihren Bundesrat starkmachen. «Da sind viele Köche am Kochen, wenn es um Indiskretionen geht.»
Klar ist nur eins: Das Vertrauen in den Bundesrat und das Vertrauen innerhalb des Bundesrats ist durch die vielen Indiskretionen geschwächt worden.