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Ein hoher Turm von Schrottautos vor blauem Himmel.
Legende: Die Initiative, über die wir im September abstimmen, verlangt, dass wir weniger Rohstoffe verschwenden. Keystone

Initiative Grüne Wirtschaft Ökologischer Fussabdruck: heikler Massstab für grüne Wirtschaft

Die Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft» verlangt, dass die Schweiz ihren ökologischen Fussabdruck verkleinert. Das Land soll nur noch so viele Ressourcen verbrauchen, wie ihm im weltweiten Durchschnitt zustehen. Klingt einleuchtend, doch als Indikator ist der ökologische Fussabdruck umstritten.

Die Schweiz ist darauf angewiesen, dass sie Rohstoffe importieren kann. Ohne Erdöl aus dem Ausland hätten wir kein Benzin und im Winter kein Heizöl. Und ohne den Import von Nahrungsmitteln hätten wir zu wenig zu essen. Klar ist: Ohne diese Importe könnten wir unseren Lebensstil nicht aufrechterhalten.

Der ökologische Fussabdruck

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Wackernagel
Legende: Keystone

Mit der vom Basler Mathis Wackernagel und Kanadier William Rees entwickelten Methode wird der Lebensstil eines Menschen oder eines Landes analysiert und danach berechnet, wie viel Fläche es bräuchte, um die Ressourcen, die in einem Jahr dafür verbraucht wurden, wieder herzustellen.

Umgekehrt exportieren wir – neben vielen Gütern – auch Abfälle und Abgase: Vor allem CO2, welches durch den Wind einfach weggeblasen wird. All dies verbraucht Landfläche im Ausland, sei es als Ackerland fürs Essen, oder auch als grosse Waldflächen, um das CO2 wieder aus der Luft zu fischen.

Schweizer Verbrauch ist dreimal zu hoch

Wie gross diese Flächen sind, lasse sich berechnen, sagt Mathis Wackernagel. Der ETH-Ingenieur ist der Miterfinder des sogenannten ökologischen Fussabdrucks. «Unsere Schätzungen zeigen, dass es drei Planeten bräuchte, wenn alle so lebten wie die Schweizer.»

Der Flächenbedarf der Schweizer Bevölkerung ist also massiv zu gross. Die Erde breche deshalb zwar nicht gleich zusammen. Obwohl die Menschheit als Ganzes weltweit gesehen seit Anfang der 1970er Jahre auf zu grossem Fuss lebt. «Die Schäden bauen sich langsam auf», erklärt Wackernagel. Zum Beispiel werden das Süsswasser knapper auf der Erde und das CO2 baut sich in der Atmosphäre auf. «Doch die Atmosphäre ist gross. Es baut sich relativ langsam, aber stetig auf.»

Bestechend einfaches Konzept, aber ungenau

Neben den langsamen und teilweise schwer vorhersagbaren ökologischen Problemen sieht Wackernagel aber auch ganz praktische, wirtschaftliche Schwierigkeiten: «Die Einkommen nehmen weltweit zu, schneller als in der Schweiz. Das heisst, der Wettbewerb um Ressourcen wird stärker. Langfristig gesehen wird es für die Schweiz schwieriger werden, die Ressourcen zu kaufen.»

Der Ingenieur hat das Konzept des ökologischen Fussabdrucks in den frühen 1990er Jahren im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelt. Die grosse Stärke des Fussabdrucks ist seine Einfachheit: Es leuchtet rasch ein, dass wir zu viel Fläche der Erde in Anspruch nehmen. Die Berechnungen dahinter sind allerdings komplex und beruhen auf zahlreichen Daten, die mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind.

Das Endresultat, also der Flächenverbrauch, kann deshalb auch nicht präzise berechnet werden. Das weiss auch Wackernagel: «Wir werden kritisiert, dass unsere Zahlen falsch sind, aber meist, weil sie zu klein sind. Das sind alles UNO-Daten, die wir zusammenrechnen können.»

Streit um Messbarkeit der Ziele ist absehbar

Die Ungenauigkeit der Daten könnte dann zu einem Problem werden, wenn es in einigen Jahren darum gehen wird, ob das Ziel der Initiative erreicht wurde oder nicht. Der Streit ist programmiert, wenn im Jahr 2050, so wie es die Initiative fordert, unser ökologischer Fussabdruck der Erde angepasst sein soll, also auf eine reduziert.

Gemäss Wackernagels Berechnungen, die inzwischen auch der Bund anwendet, hiesse das insbesondere, dass der CO2-Ausstoss drastisch reduziert werden müsste. Denn dieser macht fast Dreiviertel des gesamten Fussabdrucks aus.

Experten wie Lucas Bretschger von der ETH Zürich kritisieren aber auch, dass mit dem Fussabdruck zu viel über einen Kamm geschert werde. Man könne nicht die ganze Umweltpolitik auf eine Zahl, auf den Flächenverbrauch reduzieren. Der Professor für Ressourcen-Ökonomie plädiert denn auch dafür, die Teilbereiche einzeln anzuschauen, etwa Klimapolitik, Biodiversität, Abfälle, Landverbrauch.

Teilbereiche besser separat anschauen

«All diese Dinge sollten von der Politik und der Wirtschaft zusammen in der Partnerschaft bewältigt werden», so Bretschger. «Aber ich glaube nicht, dass man die Dinge so zusammen sehen kann, dass man eine Zahl daraus ableiten kann.» Das Problem sei, dass am Schluss lediglich ein Durchschnitt angeschaut werde.

«Der Flussabdruck bezieht sich auf verschiedene Bereiche der Natur», erklärt der Experte. «Er erklärt uns, dass wenn wir im Schnitt verträglich sind mit der Umwelt, alles in Ordnung ist. Es könnte aber auch sein, dass wir in einem Bereich unterdurchschnittlich gut sind, einen kritischen Schwellenwert der Natur unterschreiten und dann die gesamten ökologischen Funktionen in Frage stellen.»

Politik braucht einfache Kennzahlen

Konkret: Klappt es nicht mit dem Klimaschutz, oder geht uns zum Beispiel das Wasser aus, so nützt uns auch eine nachhaltige Landwirtschaft nicht mehr viel. Bretschger gibt aber zu bedenken, dass die Politik oft aufgrund einfacher Kennzahlen entscheiden muss. Und nicht nur der ökologische Fussabdruck habe hier ein Defizit, sondern viele andere Zahlen auch. «Wir müssen fair sein, auch andere Indikatoren sind fehlerhaft.» Als Beispiel nennt er das Bruttoinlandprodukt.

«Wir müssen einerseits sehen, dass der Indikator fehlerhaft ist, aber andererseits auch, dass die gesamte Fragestellung doch eine sehr wichtige ist.» Und in diesem Punkt sind sich eigentlich auch alle einig: Es muss etwas getan werden.

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