«Ich hatte jede Nacht Angst um mein Leben. Angst, dass etwas passieren könnte», erzählt Anastasiia Mlynchenko. Vor rund drei Jahren ist die Ukrainerin aus Kiew in die Schweiz geflüchtet und lebt seither mit Schutzstatus S als Geflüchtete im Kanton Zürich. Trotz neuem Leben ist die Unsicherheit Teil von Mlynchenkos Leben geblieben.
Nun beschäftigt die 39-Jährige eine berufliche Unsicherheit. Mlynchenko arbeitet als Praktikantin in einer sozialen Institution in Kloten. Dies, obwohl sie einen Masterabschluss in Sozialer Arbeit besitzt. Das Problem: Anastasiia Mlynchenko wird in der Schweiz trotz Universitätsabschluss nicht als ausgebildete Sozialarbeiterin anerkannt.
Mlynchenko versucht nun zu erreichen, dass ihre ukrainischen Diplome in der Schweiz anerkannt werden. Ein steiniger Weg. Sie sagt: «Jetzt habe ich Angst, weil ich keine Ahnung habe, was die Behörden entscheiden werden.»
Viele Geflüchtete, gleiche Geschichte
Mlynchenkos Schicksal ist kein Einzelfall. Gemäss Schätzungen besitzen zwei Drittel der Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei Kriegsausbruch in die Schweiz geflüchtet sind, einen Universitätsabschluss – einen Abschluss, der hier häufig nicht anerkannt wird.
Für die berufliche Integration von Personen mit Status S ist dies hinderlich. Die Zahlen des Staatssekretariats für Migration zeigen zwar, dass immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine beruflich Fuss fassen. Eine rasche Anerkennung der Diplome könnte hier aber zusätzlich für Entspannung sorgen.
Aufwendige Verfahren – ohne Garantie auf Erfolg
Unterstützung bei der Jobsuche oder bei der Anerkennung von Diplomen finden Personen wie Anastasiia Mlynchenko im Kanton Zürich beim Hilfswerk der evangelisch-reformierten Kirche Heks. Es führt ein eigenes Programm für die Integration von Geflüchteten mit einem Universitätsabschluss.
Diplomanerkennungen sind sehr aufwendig. Eine Garantie, dass die Person danach auch eine Stelle findet, gibt es nicht.
Diplomanerkennungen seien sehr aufwendig, sagt Susanne Teismann, die Leiterin des Programms beim Heks – gerade bei Berufen wie der Sozialarbeit. «Wir haben einen gesetzlichen Hintergrund, es braucht Berufsausübungsbewilligungen», so Teismann.
«Es ist nicht unmöglich, aber es ist sehr aufwendig. Und eine Garantie, dass die Person trotz Diplomanerkennung dann auch eine Stelle findet, gibt es nicht.» Auch, weil Schweizer Arbeitgeber die Berufserfahrung sehr stark gewichten, und nicht nur die Diplome.
Unterschiedliche Bildungssysteme
Bei der Anerkennung der Diplome könnte der Kanton Zürich das Tempo jedoch erhöhen, ist das Heks überzeugt. Eine Kritik, die die Zürcher Fachstelle für Integration nachvollziehen kann. Leiterin Nadine Gilgen gibt aber zu bedenken, dass das Schweizer und das ukrainische Bildungssystem nicht vergleichbar seien.
«In der Ukraine gibt es den dualen Bildungsweg nicht. Ganz viele Ausbildungen passieren an der Uni», so Gilgen. «Berufe, die bei uns klassisch über die Berufslehre erlernt werden, werden an der Uni studiert - zum Beispiel das KV.» Darum müsse man die Diplome genau anschauen und klären, ob gewisse Berufe ausgeübt werden dürfen.
Diese Praxis benötigt Zeit. Und das Warten auf den Entscheid verstärkt gleichzeitig die Unsicherheit von Anastasiia Mlynchenko. «Ich kann die Situation nicht kontrollieren. Dadurch werde ich nervös.» Die Hoffnung aber gibt sie nicht auf. Die Hoffnung, dass die Behörden nach genauer Kontrolle ihre Diplome in der Schweiz anerkennen.