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Lobbywatch: Wie viele bezahlte Mandate wer von wem hat
Aus Tagesschau vom 24.10.2022.
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Interessenvertretung In Bern werden fleissig «Ämtli» gesammelt

Der Lobbyismus: Von vielen verteufelt, von noch mehr betrieben. Eine Organisation hat nun untersucht, welches Ausmass das Phänomen in der Schweizer Politik angenommen hat.

Ist eine Politikerin oder ein Politiker etwa an einem Unternehmen beteiligt, vertritt einen Verband oder amtet im Vorstand eines Vereins, so spricht man von Interessenbindung.

Die meisten dieser Engagements geschehen ehrenamtlich, häufig fliesst aber auch Geld. Wie viel – das bleibt meist geheim.

Sitzung im Nationalrat
Legende: Gemäss der Organisation Lobbywatch sind 37 Prozent der «ausserparlamentarischen Tätigkeiten» von Ratsmitgliedern bezahlt. REUTERS / Denis Balibouse

In Bundesbern gehört die im Volksmund zuweilen als «Ämtliwucher» verurteilte Praxis zum Courant Normal. Doch welche Parteien und welche Ständerätinnen und Nationalräte zeigen sich dabei besonders aktiv? Und was sind ihre Verbindungen? Eine Übersicht.

Die Top-Branchen

Engagements im Bereich Wirtschaft machen den Grossteil der Interessenbindungen aus. Darunter fallen Bezüge zu Banken, Versicherungen oder der Immobilienbranche.

Der Bereich Gesundheit beinhaltet Engagements für Spitäler, die Pharmabranche, oder – umstrittenerweise – die Krankenkassen.

Beim Verkehr sind es vor allem Autohändler und der öffentliche Verkehr, die Politikerinnen und Politiker an sich binden.

Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind zudem beruflich in PR-Agenturen tätig oder führen diese gar selbst. Beliebt sind auch Engagements im aussenpolitischen Bereich. Zum Beispiel in der Form von Freundschaftsgruppen mit anderen Ländern.

Schaut man sich die Verteilung der «Ämtli» nach politischer Couleur an, zeigt sich ein relativ deutliches Bild.

Bürgerlich weibelt häufiger als Links

Am wenigsten bezahlte Mandate weisen im Parlament die Grünen und die Grünliberalen auf, gefolgt von der SP.

Die Bürgerlichen zeigen sich hingegen vernetzungsfreudiger. Vor allem die Mitte-Fraktion weist viele Verbindungen auf.

Wie sich die einzelnen Politikerinnen und Politiker engagieren, entspricht meist der politischen Stossrichtung.

So weisen bei der SVP nur eine Handvoll Politiker Verbindungen zur Bildungsbranche auf, während bei der SP vergleichsweise wenige in der Landwirtschaft aktiv sind.

Besonders krass ist das Beispiel des Immobilienbereichs: Hier übernehmen die drei Parteien FDP, Mitte und SVP fast sämtliche registrierten Mandate (häufig in der Form der kantonalen Hauseigentümerverbände).

Die Top-Mandate-Sammler

Auch bei der Liste derjenigen Politikerinnen und Politikern, die am meisten ausserparlamentarische Tätigkeiten aufweisen, dominieren laut Lobbywatch die Bürgerlichen. Den ersten Linken findet man erst auf Rang 17 mit Daniel Jositsch (SP/ZH).

Die Zahlen der Organisation Lobbywatch sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Weist jemand beispielsweise Verbindungen zu mehreren Tochterfirmen auf, wird jede einzeln gelistet (siehe Box «Reaktion Ruth Humbel»). Für die Bündner Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher werden darum nicht weniger als sechs Engagements im Zusammenhang mit der von ihr geführten EMS-Chemie gelistet.

Reaktion Ruth Humbel & Lobbywatch

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Die Nationalrätin (Mitte/AG) kritisiert die Darstellung von Lobbywatch. Gegenüber SRF sagt sie: «Ich habe insgesamt sieben Mandate. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen jeweils die Holding angeben (siehe hier). Meine sieben Honorare belaufen sich auf 150 Franken, 600 Franken, 750 Franken, 1200 Franken, 10'000 Franken, 12'000 Franken und 35'800 Franken pro Jahr.» Weiter sagt sie: «Ich habe bei mir mindestens sechs Organisationen in der Auflistung gefunden, bei denen Lobbywatch behauptet, es sei bezahlt. Aber das stimmt nicht und ist schlicht rufschädigend.»

Am 26.10. bestätigt Lobbywatch, bei der Nationalrätin fälschliche Angaben gemacht zu haben. Wörtlich schreibt die Organisation:

«Wir haben bei Nationalrätin Ruth Humbel (Mitte) trotz mehrfacher interner Kontrollen einige Mandate als bezahlt abgespeichert, obschon sie ehrenamtlich sind. Wir entschuldigen uns bei Ruth Humbel für diesen Fehler und die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten. Ruth Humbel weist auf parlament.ch bloss sieben bezahlte Mandate aus, und ist der Meinung, ihre vier Mandate bei der Krankenkasse Concordia sowie die fünf bei der Unternehmensgruppe Zurzach Care dürften jeweils nur als eines gezählt werden. Diese Interpretation des Parlamentsgesetzes können wir nicht nachvollziehen. Gemäss Artikel 11, Abs. b, müssen Ratsmitglieder «Tä­tig­kei­ten in Füh­rungs- und Auf­sichts­gre­mi­en so­wie Bei­rä­ten und ähn­li­chen Gre­mi­en von schwei­ze­ri­schen und aus­län­di­schen Kör­per­schaf­ten, An­stal­ten und Stif­tun­gen des pri­va­ten und des öf­fent­li­chen Rechts» deklarieren. Ruth Humbel kommt so noch auf 14 bezahlte Mandate.»

Wie lukrativ diese Posten sind, bleibt in den meisten Fällen das Geheimnis der einzelnen Parlamentsmitglieder. Offenlegen müssen sie diese Beträge nicht.

Vom Fussballverein zur Economiesuisse

Schaut man sich an, welche Gruppen vertreten werden, zeigt sich ein diverses Bild. Von der Spitex, hin zum Versicherer Mutuel, bis zur Gruppe Cannabis Schweiz ist alles dabei.

Bei vielen Engagements dürfte es sich aber auch um Herzensangelegenheiten handeln. So wird etwa bei Philippe Bregy, Mitte-Nationalrat aus dem Kanton Wallis, der FC Naters, aufgeführt. Barbara Schaffner von der GLP Kanton Zürich sitzt im Vorstand der Mühle Otelfingen. Das Eventlokal bringt Vorträge und Theateraufführungen in die kleine Zürcher Gemeinde.

Audio
Aus dem Archiv: Lobbyismus und Politik
aus Echo der Zeit vom 09.06.2021. Bild: Keystone
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Und dann gibt es noch Organisationen, die je nach politischer Couleur besonders beliebt sind. Bei der Ratslinken ist dies zum Beispiel Aqua Viva, das sich fürs heimische Gewässer einsetzt. Bürgerliche hingegen verschlägt es häufig zu Economiesuisse. Auf beiden Seiten der Schweizer Politik beliebt: die Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

Das ist Lobbywatch

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Die Plattform Lobbywatch setzt sich für transparente Politik ein. Seit 2014 informiert die Organisation, unter anderem über Twitter, über die Interessenbindungen Schweizer Politikerinnen und Politiker. Erstmals hat sie nun ausgewertet, wie viele bezahlte Mandate im eidgenössischen Parlament vorhanden sind, welche Parteien davon profitieren und welche Branchen besonders viele Politikerinnen und Politiker mit bezahlten Mandaten für ihre Interessen einsetzen.

Die Interessenbindungen der Mitglieder des Schweizerischen Parlaments sind auch unter parlament.ch zugänglich.

Tagesschau, 24.10.22, 19:30 Uhr;

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