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Interlaken – Montreux Nach 100 Jahren wird die direkte Bahnverbindung Wirklichkeit

Seit Sonntag fahren direkte Züge von Interlaken nach Montreux. Bahnfans und Touristiker haben lange darauf gewartet.

Es ist ein lang gehegter Traum: Bahnfahrten ohne Umsteigen zwischen Interlaken, Gstaad und Montreux. Seit dem Fahrplanwechsel vom Sonntag ist der Traum Wirklichkeit, neu sind auf der Strecke direkte Züge unterwegs. Was banal tönt, ist tatsächlich eine ziemlich komplexe Sache. Zwischen Interlaken und Montreux gibt es nämlich zwei Eisenbahnlinien mit unterschiedlichen Spurbreiten.

Der direkte Zug auf dieser Strecke muss während der Fahrt also die Räder schmaler beziehungsweise weiter einstellen, beziehungsweise das sogenannte Drehgestell anpassen – eine technische Meisterleistung. Entsprechend gross war die Vorfreude bei Bahnfans.

Warum die Direktverbindung keine Selbstverständlichkeit ist

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Plakat
Legende: zvg/Archiv Montreux

Die Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB) entstand im 19. Jahrhundert mit der Idee, die drei grossen Tourismusregionen Genfersee, Gstaad sowie Brienzer- und Thunersee zu verbinden. Trotz dieser Verbindungsabsicht wurden die Strecken schliesslich mit unterschiedlichen Spurbreiten gebaut.

Von Montreux bis Zweisimmen verkehren die Züge auf der ein Meter breiten Schmalspur, zwischen Zweisimmen und Interlaken auf der Normalspur (1.4 Meter). Das ist ein grosses Hindernis für eine mögliche Direktverbindung. Mehrere Jahrzehnte wurde über Lösungen diskutiert, unter anderem war auch ein sogenanntes drittes Gleis im Gespräch. Ende der 2000er-Jahre begann man mit der Planung für die jetzige Lösung, die technisch ziemlich anspruchsvoll ist.

Die Züge auf der Strecke haben nämlich ein variables Drehgestell, die Spurbreite der Räder lässt sich so anpassen. Der Goldenpass-Express kann auf einer Umspurrampe in Zweisimmen künftig in wenigen Sekunden von der Meterspur auf die Normalspur wechseln. Kostenpunkt: Gegen 90 Millionen Franken. Nicht in Erfüllung geht der Traum von einer Verbindung bis nach Luzern. Über den Brünigpass sind Zahnräder nötig.

Die erste Fahrt am Sonntag wollten sich viele Bahnfans nicht entgehen lassen. Christoph Kobel, Zugfan aus Laufenburg AG, hat schon vor Monaten ein Platz reserviert. «Ich war schon als Kind ein Fan der Bahn. Deshalb wollte ich auf der ersten Fahrt dabei sein.» Auch Elektroingenieur Ulrich Spittler-Hermann fährt im Zug mit. «Mich interessiert die Technik – und gleichzeitig ist die Landschaft wunderschön.»

Karte
Legende: Die Zugstrecke führt ohne Umsteigen von Interlaken nach Montreux. SRF

Auf der Fahrt von Interlaken nach Montreux ist in Zweisimmen der Schlüsselmoment für die Bahnbegeisterten. Der Zug ändert automatisch von Normal- zu Schmalspur – neuartige Drehgestelle unter den Waggons passen sich an (siehe Textbox oben).

Lokführer in einem Zug
Legende: In Zweisimmen fährt der Zug auf eine spezielle Rampe, wo das Drehgestell auf die andere Spurweite angepasst wird. SRF

Die Montreux Berner Oberland Bahn MOB erhofft sich mit der neuen Direktverbindung mehr Fahrgäste und mehr Wertschöpfung. «Wir warten auf den Zug seit 100 Jahren. Dass er nun da ist, ist grossartig», sagt Direktor Georges Oberson. Er rechnet damit, dass sich die hohen Investitionskosten in den nächsten Jahren lohnen werden.

Wie aber die Region, durch welche die Züge fahren, profitieren wird, ist schwer zu sagen. «Wie gross der Einfluss sein wird, kann ich nicht beurteilen», gibt der Gemeindepräsident von Gstaad-Saanen, Toni von Grünigen, zu. Doch: «Es wird sicher Leute geben, die nicht nur durchfahren, sondern auch aussteigen werden.»

Zug in Winterlandschaft
Legende: Die neuen Züge mit dem speziellen Drehgestell unterwegs durch die Voralpen. zvg/MOB

Direkte Züge von Interlaken nach Montreux – gräbt so die Waadtländer Riviera dem Berner Oberland nicht Gäste ab? «Es hat Platz für beide Destinationen», sagt Christoph Sturny, Direktor Montreux-Vevey Tourisme «Die Kundensegmente in Interlaken und Montreux sind zudem recht unterschiedlich.»

Derzeit gibt es einmal täglich eine Direktverbindung – ab nächstem Sommer sollen dann die Züge häufiger fahren. Der Traum der Bahnfans und Touristiker wird gelebt.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 09.12.2022, 17:30 Uhr ; 

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