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Internationaler Frauentag «Wir haben die traditionellen Rollenbilder stark verinnerlicht»

Anlässlich des Internationalen Frauentages wurden mehrere Studien publiziert. Sie zeigen, dass Frauen in Chefetagen immer noch deutlich in der Minderheit sind. In grossen Firmen ist der Trend gar rückläufig. Die Gleichstellungsbeauftragte Helena Trachsel hofft, dass sich das ändert.

Helena Trachsel

Leiterin der Zürcher Fachstelle für Gleichstellung

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Helena Trachsel leitet seit dem 1. Juni 2011 die Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zürich. Davor war sie 13 Jahre lang verantwortlich für «Diversity Management» beim Rückversicherungsunternehmen Swiss Re. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

SRF News: Nur sieben Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder bei den grössten Schweizer Arbeitgebern sind Frauen. Was läuft da schief?

Helena Trachsel: In Grossunternehmen, in internationalen Konzernen, ist die Konkurrenz sehr hart. Nur schon die Sichtbarkeit nach oben zu erhalten, ist sehr schwierig. Es spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Sicher auch, dass Männer wie Frauen immer noch sehr traditionelle Rollenbilder verinnerlicht haben. Aber auch, dass die Familiengründung nach wie vor an den Frauen hängen bleibt. So dass wir in der Zeit, in der wir befördert werden könnten und sollten, eher Teilzeit arbeiten und einen Schritt zurück machen zu Gunsten der Familie. Das schränkt uns und die, die uns befördern möchten oder sollten ein.

Etwas besser sieht es bei den KMU aus. Dort ist immerhin schon fast jedes fünfte Geschäftsleitungsmitglied eine Frau. Wieso dieser Unterschied?

Kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz sind ja häufig noch Familienunternehmen, in denen Frauen nachrücken. Da entscheidet die Kompetenz, die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen. Man kennt sich. Ein Unternehmen investiert in eine Person, baut sie auf, hält an ihr fest. Bei den KMU wird dieser Kostenfaktor stärker gewichtet. Und ich erlebe auch, gerade in meinem Kanton, dass KMU flexibler sind als Grosskonzerne, spezifische Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzubieten.

Wenn die Anzahl Frauen in Geschäftsleitungen bei Grosskonzernen neuerdings sogar wieder rückläufig ist, war oder ist Ihre Arbeit nutzlos?

Sie ist sicher nicht nutzlos. Aber oft macht man zwei Schritte vorwärts und einen zurück. Das liegt in der Natur dieser Aufgabe. Wir sind alle gesellschaftspolitisch geprägt von unseren Familien und bringen diese Prägung mit. Das Übertragen auf eine Geschäftskultur, in eine Arbeitswelt, macht diesen Prozess umso anspruchsvoller. Wir alle müssten vom selben Verständnis ausgehen, dass Frauen wirklich gleiche Leistung erbringen, genauso entscheidungsfreudig sind und genauso in der Lage sind wie Männer, Risiken zu tragen. Der Schritt zurück ist häufig an die Betreuungsarbeit der Frauen gebunden. Wir sind nicht ganz so frei, den Unternehmen diese Verfügbarkeit zu garantieren, wie es die Männer tun.

Wir sollten eine Elternzeit einführen, wie in den nordischen Staaten. Eine langandauernde Elternzeit, wo Mann und Frau miteinander entscheiden, wer zuhause die Betreuungsarbeit leistet.

Was ist das Wichtigste, was passieren müsste?

Wir sollten eine Elternzeit einführen, wie in den nordischen Staaten. Eine langandauernde Elternzeit, wo Mann und Frau miteinander entscheiden, wer zuhause die Betreuungsarbeit leistet. Damit beide nach einigen Erfahrungsjahren im Beruf dasselbe Sprungbrett, dieselbe Chance erhalten, im Unternehmen Schritte an die Spitze oder in eine vernünftige Laufbahn machen können. Wir Frauen brauchen das Bewusstsein, dass wir für unsere ökonomische Situation selbstverantwortlich handeln sollen, so dass wir nicht von einem Ernährer abhängig sind angesichts der Scheidungsrate. Wir sollten uns bewusst darauf einstellen, dass wir unsere wirtschaftliche Verantwortung voll und ganz übernehmen. Das trägt einer guten Beziehung nichts ab.

Das Gespräch führte Charlotte Jacquemart.

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