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Investition ins Tierwohl Dank ihr geht's den Kühen besser

Martina Schmid ist Kuhsignaltrainerin und sieht Kühen an, was sie brauchen. Was nach Esoterik klingt, ist Wissenschaft.

Um zu erklären, was einen guten Kuhstall ausmacht, muss Martina Schmid den Stall verlassen. Sie betritt die Wiese nebenan. «Wir wollen die Freiheiten, welche die Kuh auf der Weide geniesst, in den Stall kriegen», sagt die 32-Jährige. «Dazu gehören gute Luft, Licht, Ruhe, ausreichend Platz, genügend Futter und Wasser.»

Martina Schmid geht auf eine Kuh zu
Legende: Weil Kühe sich draussen am wohlsten fühlen, soll ein Stall die Weide möglichst gut imitieren. SRF

Martina Schmid ist Kuhsignaltrainerin. Sie sieht einer Kuh an, wenn diese unzufrieden ist oder schwächelt. Und sie findet heraus, weshalb es der Kuh nicht gut geht. Vor allem aber weiss sie, was die Bauern an ihren Ställen ändern müssen, damit es den Kühen besser geht. Deshalb wird sie als Beraterin gebucht.

Einen 150-jährigen Stall modernisieren

Hanspeter «Hampi» Rutz hat sich von Martina Schmid beraten lassen. Der Bergbauer führt mit seiner Familie einen Betrieb ob Küssnacht am Rigi. Vor einigen Jahren entschied er sich, seinen Hof zum Wohl der Tiere zu sanieren. «Wir hatten einen alten Stall aus dem Jahr 1880», erinnert sich Rutz. «Der hatte eine Wand auf jeder Seite und auch eine durch den Stall hindurch. Die Fenster waren klein, es war dunkel.»

Frau spricht mit Mann
Legende: Martina Schmid und Hampi Rutz diskutieren über die Veränderungen an seinem fast 150 Jahre alten Stall. SRF

Die Tiere hatten weder gute Luft, genügend Licht noch ausreichend Platz. Viele Aspekte, die den Kühen laut Martina Schmid wichtig sind, waren nicht erfüllt. Die Kuhsignaltrainerin kam auf den Hof und empfahl, die Wände im Stall herauszureissen und die grosse Front in Richtung Tal zu öffnen, sodass jetzt frische Luft und natürliches Licht in den Stall gelangen.

Mehr Schwungraum

Zudem beobachtete Schmid, dass die Kühe Mühe hatten mit dem Aufstehen. Sie benutzten die Vorderbeine zuerst – ein Signal, dass es ihnen unwohl ist. «Die Liegeboxen waren mit einer Mauer abgeschlossen. Das ist nicht gut.» Die Kuh schwingt beim Aufstehen eigentlich zuerst den Kopf nach vorne und nutzt das Momentum, um die Hinterbeine aufzustellen. Erst dann kommen die Vorderbeine.

Stall mit geöffneter Front
Legende: Beim Stall der Familie Rutz wurde die Wand auf der Talseite herausgerissen. Das sorgt für eine gute Luft-Zirkulation. SRF

«Fehlt ihr wegen einer Mauer der Platz dafür, dann sitzt sie nicht mehr gerne ab», sagt Martina Schmid. «Und wenn man weiss, dass die Kuh am liebsten 14 Stunden am Tag liegt, dann ist das ein Problem.» Seit der Stallsanierung haben die Kühe deshalb auch mehr Platz in ihrer Liegebox, es hindert sie nichts mehr am Aufstehen.

Wissenschaftliche Grundlage von Kuhsignalen

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Das Lesen von Kuhsignalen wurde vom niederländischen Tierarzt Jan Hulsen entwickelt. Sein Konzept basiert auf der Idee, dass Kühe durch ihr Verhalten Signale senden, die auf ihren Gesundheitszustand und ihr Wohlbefinden hinweisen.

Ziel ist es, das Tierwohl zu fördern, um schlussendlich die Produktivität von Kühen zu steigern. Dass Wohlbefinden und Milchertrag zusammenhängen, ist wissenschaftlich erwiesen. Ausserdem gibt es verschiedene Studien, welche den Zusammenhang zwischen Kuhsignalen und dem Wohlbefinden der Tiere untersucht haben.

Hampi Rutz merkt einen Unterschied zu früher. «Die Rinder sind vitaler und husten weniger.» Besonders im Winter sei dies augenfällig. «Früher haben sie im warmen und feuchten Gebäude viel eher eine Grippe erwischt», so Rutz. «Mit der Sanierung wurde aus dem alten Stall eine gute Sache.»

Glückliche Kühe geben mehr Milch

Bei einem anderen Bauern entdeckte Martina Schmid helle Stellen am Nacken der Kühe. Das Fell war aufgerieben. Als sie die Tiere beim Fressen beobachtete, war schnell klar, weshalb. Sie stiessen oben an den Eisenrohren an. «Kühe sollten unten mit den Klauen anstehen, nicht oben mit dem Nacken.» Die Lösung: Rohre versetzen.

Martina Schmid mit Kuh
Legende: Die Kuhsignaltrainerin entdeckt helle Stellen am Nacken der Tiere. Sie reiben sich beim Fressen an den Rohren über ihren Köpfen. SRF

Martina Schmid kam über Umwege zu ihrem Beruf. Sie ist gelernte Krankenpflegerin, ausgebildete Landwirtin und studierte Agronomin. Während des Studiums fiel ihr etwas auf: «In der Forschung rechnet man oft mit Zahlen. Analysiert die Tiere und kalkuliert», sagt sie. «Immer wieder passiert es jedoch, dass man die Kuh vor lauter Zahlen vergisst.»

Man vergesse, was eine Kuh eigentlich braucht. «Wenn es einer Kuh nicht gut geht, passen alle Berechnungen nicht mehr.» Sprich: Eine unzufriedene Kuh gibt weniger Milch. Schlussendlich lohnt sich es deshalb auch rein finanziell, ins Tierwohl zu investieren.

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Schweiz aktuell, 19.08.2024, 19:00 Uhr

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