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IS-Unterstützer verurteilt Fünf Beobachtungen aus dem Gerichtssaal in Bellinzona

Das Bundesstrafgericht verurteilt den Winterthurer IS-Unterstützer zu 32 Monaten Freiheitsstrafe. So verhielt er sich vor Gericht.

Wie ist der Beschuldigte aufgetreten?

Unter dem schwarzen Langarm-Shirt steckt ein massiger Körper. Er trainiere auf öffentlichen Sportplätzen, sagt er. Ein dichter schwarzer Bart, das Haupthaar im Nacken rasiert, die Beine in Bluejeans bis zu den Knöcheln. Hochwasserhosen aus modischen Überlegungen oder ein Bekenntnis als Salafist? Das bleibt offen. Wie so vieles. Denn auf die meisten Fragen antwortet der heute 25-Jährige mit: «Ich sage nichts dazu.» Das ist sein Recht. Wenn er sich äusserte, dann meist mit Belehrungen des Gerichts, die man so zusammenfassen könnte: Ihr versteht nichts vom Islam, so wie ich ihn lebe.

Das Urteil: 32 Monate Freiheitsstrafe

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Der junge Schweizer aus einer Familie kosovarischer Einwanderer wurde heute in erster Instanz verurteilt. Das Bundesstrafgericht hat den 25-Jährigen wegen Widerhandlungen gegen das IS-Gesetz, wegen Zugänglichmachens von Gewaltdarstellungen und Betrugs zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt. Davon muss er die Hälfte verbüssen.

Die Bundesanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von 55 Monaten, die Verteidigung hingegen eine bedingte Freiheitsstrafe von 21 Monaten und eine bedingte Geldstrafe.

Zusätzlich zur Freiheitsstrafe hat das Gericht eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 100 Franken ausgesprochen. Die Probezeit dauert fünf Jahre.

Während dieser Zeit muss der Schweizer ein Deradikalisierungs-Programm absolvieren. Die Untersuchungshaft von 266 Tagen wird an die Strafe angerechnet und weitere 56 Tage für die verhängten Ersatzmassnahmen.

Ist er noch immer IS-Unterstützer?

Mehrmals stellte ihm der Gerichtspräsident die Frage nach seiner heutigen Einstellung. Antwort: Siehe oben. Der Verteidiger unterstellte dem Gericht, Gesinnungsstrafrecht zu betreiben. Das gibt es in der Schweiz nicht. Denken und sagen darf man fast alles. Nur: gemäss Anklage hat der Mann auch nach einer früheren Verurteilung wegen einer Reise nach Syrien weiterhin den IS unterstützt, Propaganda verbreitet, andere angeworben, Spendengelder gesammelt. Deshalb die wiederholte Frage: wie sieht er die IS-Ideologie heute? Antwort: Siehe oben. Das Gericht sprach ihn auch auf den gestrigen Anschlag in Brüssel an. Auf die Terrorattacke der Hamas in Israel. Eine klare Distanzierung? Fehlanzeige. Er sei gegen alle Gräueltaten an Unschuldigen, egal wer sie begehe.

Wie rechtfertigt sich der Beschuldigte?

Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten sei er erst 20 und 21 Jahre alt gewesen, betonte der Verteidiger mehrfach. Abstreiten lassen sich viele der Vorwürfe nicht, sie sind mit Audioaufnahmen aus Überwachungen von klandestinen Treffen der damaligen IS-Unterstützerszene um Winterthur belegt. Weshalb das alles? Wie kommen junge Erwachsene dazu, den IS unterstützen zu wollen? Die Antwort auch dazu: siehe oben. Nur eines liess der Beschuldigte durchblicken: Was er bereue, sei, dass er «Probleme» gekriegt habe, also die Festnahme, fast neun Monate Untersuchungshaft, der Gerichtsprozess. Wirkliche Reue für die Taten klingt anders.

Welche Rolle hatte der Mann?

Manche bezeichneten ihn als Emir, Anführer in der Winterthurer Islamistenszene um die Jahre 2018 bis 2019. Dem widersprach der Verteidiger vehement, es habe andere Führungsfiguren gegeben. Die Ermittlungen ergaben gemäss der Bundesanwaltschaft ein anderes Bild: jenes eines Mannes, der damals die Verbreitung der IS-Ideologie zu seinem Lebensinhalt gemacht habe. Entscheidend gemäss der Anklage: seine Autorität als Syrien-Rückkehrer, sein Charisma, seine Menschenkenntnis. Er wisse, wem er was sagen müsse. Inmitten des Gerichtssaals, wo der Anklagte zu den Richtern empor schaut, die nächste Frage erwartet, wie ein Boxer, der genau weiss, wie er reagieren wird (siehe oben), da kann man sich das zunächst nur schwer vorstellen. Doch nur, bis er zu sprechen beginnt.

Welche Bedeutung hat der Fall?

Vor bald zehn Jahren, als die Laufbahn des Angeklagten in islamistischen bis dschihadistischen Kreisen begann, als auch der damalige «ISIS» langsam, aber sicher als Gefahr auch im Westen erkannt wurde, damals war oft von Übernacht-Radikalisierung die Rede, von Online-Radikalisierung. Inzwischen wissen wir: Propagandavideos, Chats, Posts sind Brandbeschleuniger – in den meisten Fällen geschieht Radikalisierung aber von Mensch zu Mensch.

Tagesschau, 17.10.2023, 19:30 Uhr

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