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Islamunterricht in Schulen polarisiert
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 21.09.2022. Bild: Roger Steinemann (SRF)
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Islamunterricht in der Schule In Schaffhausen unterrichten neu auch Imame

In Neuhausen SH erteilt ein Imam muslimischen Viertklässlern Religionsunterricht. Das Pilotprojekt ist umstritten.

Freitagnachmittag, Schulhaus Kirchacker in Neuhausen: Sechs Buben und sechs Mädchen sind im Klassenzimmer. Sie sind freiwillig da. Vor ihnen steht Nimetulla Veseli in Jeans und weissem Hemd. Der 34-Jährige ist kein Lehrer, sondern Imam an der albanischen Moschee in Schaffhausen. Er will den Kindern ein korrektes Bild ihrer Religion vermitteln. Als Erstes lernen sie Grundbegriffe. Auf Arabisch und Deutsch. Was heisst «Allah»? Die Kinder sind aufmerksam, machen mit.

Nimetulla Veseli, Imam.
Legende: Woran glauben Muslime? Nimetula Veseli erklärt den Viertklässlern die Glaubensgrundsätze des Islam. SRF/Roger Steinemann

Islamischer Religionsunterricht in einer öffentlichen Schule: Das ist in der Schweiz eine Seltenheit. Nebst dem Pilotprojekt in Neuhausen gibt es nur in Kreuzlingen (TG) ein ähnliches Projekt.

Islamischer Unterricht an Schulen: Was bringts?

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Die Einschätzung von Religionsredaktorin Nicole Freudiger:

«Im Islamunterricht für muslimische Kinder lernen die Schülerinnen und Schüler die Grundlagen ihrer Religion. Sie diskutieren Fragen wie die Stellung von Mann und Frau und erhalten Arabischunterricht. Dies ermöglicht ihnen einen eigenen Zugang zu ihrer Religion. Im besten Fall ermächtigt es sie, sich kritisch mit dem Koran auseinanderzusetzen. Der Religionsunterricht an der Volksschule ist kein Ersatz. Er ist weltlich ausgerichtet, behandelt alle Religionen und kann nicht in die Tiefe gehen.

Die tiefere Auseinandersetzung im Islamunterricht kann helfen, Radikalisierung vorzubeugen. Er ist somit auch eine Präventionsmassnahme. Denn verschiedene Studien haben Folgendes gezeigt: Diejenigen Musliminnen und Muslime, die sich im europäischen Kontext radikalisiert haben, besassen oft wenig Vorwissen. Sie konnten der radikalen Interpretation des Islams wenig entgegensetzen.

Wenn dieser Islamunterricht nun an einer öffentlichen Schule stattfindet, hat dies mehrere Vorteile: Die Infrastruktur ist oft besser als in den Moscheen. Die Kinder stammen aus verschiedenen Moschee-Gemeinden und bringen damit verschiedene islamische Traditionen mit. Meist spielt auch der interreligiöse Dialog eine wichtige Rolle, dies zeigen Untersuchungen der Universität Luzern und des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft der Universität Freiburg. Zudem ist die Kontrolle über den Inhalt des Unterrichts einfacher, weil der Unterricht an einem öffentlichen Ort stattfindet. Eine Herausforderung ist die Finanzierung: Häufig steuern Moschee-Gemeinden einen grossen Teil bei. Manchmal erhalten die Lehrerinnen und Lehrer aber kaum Lohn. Das ist auf Dauer nicht nachhaltig.»

Ein gutes Grundwissen über den Islam sei für die Kinder aber essenziell, sagt Nimetulla Veseli. «Wir leben mit Facebook, Youtube, Tiktok, Instagram. Dort finden die Kinder viele Informationen über den Islam. Nicht alle sind wahr. Wir sind dazu da, ihnen die richtigen Informationen zu geben.»

Ein Schüler im Islam-Unterricht
Legende: Islamunterricht als Prävention: Wer Bescheid weiss über seine Religion – so sagen Studien – lässt sich weniger von extremen Anschauungen beeinflussen. SRF/Roger Steinmann

Angeregt hat den Unterricht der Interreligiöse Dialog in Schaffhausen, ein Zusammenschluss der ansässigen Religionen. Sie wollen das friedliche Zusammenleben fördern.

Wir wollen den Kindern ein richtiges Bild des Islam vermitteln.
Autor: Nimetulla Veseli

An vorderster Front kämpft Markus Sieber für den Islamunterricht an der Schule. Er ist reformierter Pfarrer in Schaffhausen. «Wir erreichen mehr Kinder in der Schule als in der Moschee. In der Schule unterrichten bedeutet auch, dass wir den Islam ein Stück weit anerkennen. Die Kinder lernen, dass er zur Gesellschaft gehört.» Doch politisch und gesellschaftlich ist das Projekt nicht unumstritten.

Islamischer Unterricht an einer Neuhauser Schule
Legende: Volle Transparenz statt verschlossener Türen: Die Behörden wissen Bescheid, wie der Islam an der Schule gelehrt wird. Beim Unterricht in den Moscheen ist das nicht immer der Fall. SRF/Roger Steinmann

Ein Projekt gegen Radikalisierung

Der zuständige Neuhauser Gemeinderat, Ruedi Meier, betont mehrfach: Der Islamunterricht ist kein schulisches Angebot. Die Schule stellt nur den Raum zur Verfügung. Er sagt aber: «Ich sehe im Unterricht einen positiven Kontrapunkt. Die Kinder können den Islam kennenlernen. Unabhängig vom Extremismus.» Kontrapunkt deshalb, weil in Neuhausen eine umstrittene Moschee zu reden gibt. Offenbar ist nicht klar, wer dort ein und aus geht, welche Lehre vermittelt wird. Es erscheinen Medienberichte über einen verurteilten IS-Anhänger, der an der Moschee beteiligt sein soll.

An der Schule herrscht volle Transparenz.
Autor: Ruedi Meier Schulreferent Neuhausen

Ganz im Gegensatz zur Schule. Dort herrsche volle Transparenz, sagt Meier: «Wir kennen das Lehrmittel, wir kennen die Leute, die unterrichten. Eine Lehrperson begleitet das Ganze.» Der Islamunterricht soll also auch ein Präventionsprojekt sein. Möglicher Radikalisierung vorbeugen. Dies anerkennt auch der Bund. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) finanziert das Projekt deshalb mit.

«Kein Bedarf» in der Stadt Schaffhausen

In der Stadt Schaffhausen hingegen, sagen die Schulbehörden Nein zu einem Islamunterricht in der Schule. Mit dem gleichen Recht könnten ja auch Buddhisten, Hindus oder Juden Räume fordern, sagt der Präsident der städtischen Schulbehörde, Christian Ulmer. Zur weiteren Abklärung hat seine Behörde eine offizielle Anfrage ans kantonale Erziehungsdepartement gestellt: «Muss die Volksschule Raum zur Verfügung stellen und den Unterricht inhaltlich überprüfen?» Nein, sagt der Kanton. Es gibt keinen Bedarf.

So bleibt es vorläufig beim Islamunterricht in zwei Neuhauser Schulen. Imam Nimetulla Veseli verabschiedet sich am Schluss der Stunde von seinen zwölf Schülerinnen und Schülern. «Salam Aleikum». Und auf Deutsch? «Friede sei mit dir», antworten die Kinder im Chor.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 21.09.2022, 17:30 Uhr;

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