- Das «Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft» der Universität Freiburg will einen Beitrag an ein friedliches Zusammenleben in der Schweizer Gesellschaft leisten.
- Dem Zentrum wehte ein steifer Wind entgegen – vor allem von der SVP. Vor einem Jahr wurde es eröffnet. Direktor Hansjörg Schmid zieht eine erste, positive Zwischenbilanz.
An den Schweizer Universitäten gibt es einige Institute, die den Islam in all seinen Facetten erforschen. Das «Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft» an der Universität Freiburg ist aber eine besondere Einrichtung. Denn neben der wissenschaftlichen Arbeit hat das Zentrum explizit den Auftrag, sich ganz praktisch und konkret um Dialog und Integration zu bemühen.
Direktor Hansjörg Schmid erklärt: «Dieses Zentrum hat die Aufgabe, eine Brückenfunktion zu leisten zwischen den Muslimen in der Schweiz und der ganzen Gesellschaft. Wir wollen sehr nah an den ganzen gesellschaftlichen Konflikten und Fragen arbeiten.» Und von denen gibt es einige – zum Beispiel jene, wie es sich verhindern lässt, dass sich Jugendliche radikalisieren.
Workshops zu Extremismus, Geschlechter und Medien
Das Zentrum veranstaltet zu diesem Thema Workshops und Kurse, an denen Imame, Vertreter islamischer Vereine, muslimische Religionspädagoginnen und Jugendleiter teilnehmen. Die Workshops bieten keine Patentrezepte für den Kampf gegen den Radikalismus an. Es gehe vielmehr darum, die Kursteilnehmer zu sensibilisieren und wichtige Diskussionen anzustossen, sagt Schmid.
«Wo sind Orte der Radikalisierung? Wie sehen solche Ideologien aus?», seien wichtige Fragen, die man sich im Islamzentrum in Freiburg stelle. Aber auch: «Wie kann man sie entlarven? Wie sind die Lebenssituationen der jungen Menschen, wo sind sie verwundbar und anfällig für Radikalisierung?»
In anderen Workshops gehe es um Geschlechterrollen, die gesellschaftliche Stellung der Frau und den Umgang mit Homosexualität; um die Rolle von Religion an der Schule und den Islam in den Medien, und auch um Fragen der Seelsorge. Dass die Diskussionen manchmal kontrovers verlaufen, sei durchaus gewollt.
Frommer Wunsch: Imam-Ausbildungen in der Schweiz
Bis diesen Frühling hat das Zentrum 25 Workshops mit 450 Teilnehmern in allen Teilen der Schweiz durchgeführt. Schmid ist zufrieden mit dieser Zwischenbilanz. Auch weil er Rückmeldungen erhalten hat, dass die Kurse von den meisten Teilnehmern geschätzt werden und zu einem Lernprozess beigetragen haben.
Lobende Worte für die Arbeit des Freiburger Zentrums findet auch Jasmin El-Sonbati, Buchautorin und prominente Vorkämpferin für einen liberalen Islam. Sie würde es gut finden, wenn das Zentrum in Zukunft noch einen Schritt weitergehen würde und eine vollständige Ausbildung von islamischen Geistlichen anbieten würde: «Wir wollen, dass Menschen, die in den Moscheen in der Schweiz den Islam predigen, einen Islam schweizerischer Prägung predigen. Das geht natürlich nur, wenn diese Vorbeter in der Schweiz ausgebildet werden.»
Denn viele Imame aus dem Ausland seien nicht mit dem hiesigen Alltag und mit der Idee der Menschenrechte vertraut, argumentiert El-Sonbati. Beim Thema Imam-Ausbildung zeigt sich Schmid zurückhaltend. Eine vollständige Ausbildung sei weder das Ziel des Zentrums, noch habe es die Ressourcen dazu.
Direktor Schmid: «Keine akademischen Luftschlösser»
Es sei aber vorstellbar, dass das Zentrum gewisse Elemente für ein Imam-Studium anbiete, allenfalls in Zusammenarbeit in deutschen und österreichischen Universitäten. Unabhängig davon ist Schmid aber froh, dass das Interesse an der Arbeit des Islamzentrums so gross ist. Und dass die Kritik, das Zentrum sei eine reine Geldverschwendung, spürbar zurückgegangen ist.
«Viele Menschen haben gemerkt, dass hier keine akademischen Luftschlösser gebaut werden, sondern dass dies ein Ort ist, an dem diskutiert wird, und an den Fragen gearbeitet wird, die auf der Agenda stehen.» Im Gegenzug wolle das Zentrum transparent arbeiten und die Öffentlichkeit regelmässig informieren.
Derzeit arbeitet das Team daran, die Erfahrungen der ersten Workshops detailliert auszuwerten. Die Ergebnisse sollen möglichst bald auch veröffentlicht werden.