Zum Inhalt springen

Jagd auf Gewitterwolken Mit dem Flugzeug gegen Hagelschäden

Hagelschäden kosten hunderte Millionen. Wie kann man sie reduzieren? Eine Versicherung geht dazu jetzt in die Luft.

Hagelniederschläge verursachen in der Schweiz jedes Jahr Schäden in der Höhe von mehreren 100 Millionen Franken; sie zerstören die Ernten der Bauern, demolieren Gewächshäuser und beschädigen Autos. Eine Schweizer Versicherung unternimmt nun den Versuch, diese Hagelschäden zu reduzieren. Und zwar mit einem eigens hierfür angefertigten Flugzeug.

Seit einer Woche steigt er in die Lüfte, der Hagelflieger der Baloise Gruppe, der erste von einer Versicherung betriebene der Schweiz. Stationiert ist das Kleinflugzeug auf dem Flugplatz Birrfeld im Kanton Aargau. Von dort aus jagt es Gewitterwolken in der ganzen Deutschschweiz nach.

Wir erhoffen uns damit, dass wir eine sinnvolle Prävention betreiben können.
Autor: Mathias Zingg Leiter Abteilung Schaden Baloise Gruppe

Mathias Zingg, Leiter der Abteilung Schaden bei der Baloise Versicherungsgruppe, ist überzeugt, dass mit diesem Flugzeug die Hagelschäden in der Schweiz deutlich reduziert werden können.

«Es gibt Studien, die belegen, dass man mit dieser Intervention das Hagelvorkommen um bis zu 50 Prozent reduzieren kann. Wir erhoffen uns davon, dass wir eine sinnvolle Prävention betreiben können. Für die unwetterbetroffene Bevölkerung, für die Landwirtschaft, den Weinbau und weitere Bereiche», so Zingg.

Mit Silberiodid bilden sich kleinere Hagelkörner

Funktionieren soll das Ganze so: Sobald sich eine grössere Gewitterwolke bildet, fliegt das Hagelflugzeug unter diese Wolke und sprüht mit einer speziellen Vorrichtung eine chemische Substanz aus: Silberiodid.

Auf diese Weise sollen sich in der Gewitterwolke zusätzliche Eiskerne bilden, wodurch zwar mehr, aber kleinere Hagelkörner entstehen sollen, die beim Auftreffen auf der Erde weniger Schäden anrichten.

Soweit die Theorie. Und im Labor funktioniert das alles auch. Doch wie effizient diese Methode in der Praxis ist, da sind die Experten uneins. Peter Pöschl von SRF Meteo ist kritisch; jede Wettersituation sei einzigartig und entsprechend schwierig im Labor nachzuahmen.

Für die Baloise Versicherungs-Gruppe ist das Projekt Hagelflieger aber auf jeden Fall einen Versuch wert: Sie zahlt jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag wegen Hagelschäden aus. Das Hagelflugzeug dagegen kostet sie nur einen Bruchteil: rund 200'000 Franken.

Für Mathias Zingg ist das eine einfache Rechnung: «Wenn es uns gelingt, die Entwicklung um 10 bis 15 Prozent positiv zu beeinflussen, dann hat sich der Einsatz schon mehr als gelohnt.»

Das Projekt Hagelflieger ist auf drei Jahre angelegt. Sollte es erfolgreich sein, kann sich die Versicherung vorstellen, auch in der Romandie mit einem Flugzeug Hagelschäden zu bekämpfen.

Hagelabwehr seit den 50er-Jahren

Box aufklappen Box zuklappen

In der Vergangenheit gab es schon einige Hagelabwehrexperimente. Zum Beispiel in den USA: Man arbeitete in den 1940er- und 1950er-Jahren an der vorzeitigen Abschwächung von tropischen Wirbelstürmen, allerdings mit begrenztem Erfolg. In der Schweiz, Süddeutschland und Österreich ist die Hagelbekämpfung in regionalen Vereinen organisiert. Dabei müssen sich diese auch mit der Flugsicherung Skyguide absprechen.

«Flugzeug ist effektiver als Raketen»

In der Landwirtschaft werden seit Jahrzehnten Hagelraketen eingesetzt. Diese sind aber viel weniger präzis in der Anwendung als ein Hagelflugzeug. Zudem sind Raketen weniger gut zu kontrollieren.

Ist der Hagelflieger also das bessere Mittel gegen Hagelregen? Ja, meint der Hagelflugzeug-Pilot, Frank Kasparek. Dies würden Forschungsergebnisse zeigen: Am effizientesten sei es, wenn man die «Impfstoffe» präzise platziere.

Und: Es lässt sich grundsätzlich schwer prüfen, ob ein Gewitter wegen der Hagelrakete oder dem Hagelflugzeug keinen Schaden gebracht hat – oder ob es sowieso keine grossen Hagelkörner gegeben hätte.

Meistgelesene Artikel