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Job ohne Bewilligungspflicht Bund möchte Ukrainern den Arbeitseinstieg erleichtern

Nur jeder fünfte ukrainische Flüchtling hat in der Schweiz einen Job gefunden. Ein Hindernis ist die Bürokratie: Ukrainerinnen müssen sich jeden Job amtlich bewilligen lassen. Diese Hürde soll nun fallen.

Heute landet jeder Arbeitsvertrag einer Ukrainerin oder eines Ukrainers mit Flüchtlingsstatus S auf einem Behördentisch: Die Kantone kontrollieren, ob der Lohn korrekt ist und kein Lohndumping vorliegt.

In den allermeisten Fällen geben die Behörden grünes Licht: Der Kanton Zürich zum Beispiel bewilligt weit über 90 Prozent aller Arbeitsverträge. Auch deshalb seien diese Kontrollen unnötig, findet die grünliberale Nationalrätin Corina Gredig.

Sie will die Bewilligungspflicht streichen. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer würden davon profitieren, weil heute der bürokratische Aufwand viele abschreckt», sagt Gredig. Auch für Arbeitgeber werde es ohne Bewilligungspflicht attraktiver und die Behörden hätten weniger Arbeit.

B undesrat lenkt ein

Gredig hat sich in der zuständigen Nationalratskommission mit Politikerinnen und Politikern von links bis zur Mitte zusammengetan: Gemeinsam haben sie nun auch den Bundesrat überzeugt. Neu will auch er auf die Bewilligungspflicht verzichten: Ukrainerinnen müssten einen Job den Behörden nur noch melden.

Eine Frau schneidet Gemüse.
Legende: Ein Grossteil der Geflüchteten aus der Ukraine, die in der Schweiz arbeiten, fand einen Job im Gastgewerbe. Keystone/ /Anthony Anex

Daniel Bach vom Staatssekretariat für Migration begründet die neue Position mit einer neuen Zielvorgabe: Der Bundesrat wolle den Anteil der ukrainischen Flüchtlinge mit Job innert eines Jahres von heute 20 auf 40 Prozent verdoppeln. «Der Bürokratieabbau ist eine der Massnahmen und erhöht den Anreiz für Arbeitgeber, Ukrainerinnen und Ukrainer anzustellen», so Bach.

Warum sind viele Ukrainerinnen und Ukrainer ohne Job?

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Tobias Fritschi hat die Arbeitsintegration von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern untersucht. Der Leiter des Instituts Soziale Sicherheit und Sozialpolitik an der Berner Fachhochschule sieht Mängel bei den Sprachkursen: «Die Angebote sind zu wenig stark auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet und erreichen nicht das Sprachniveau, das für gut qualifizierte Jobs erforderlich ist», so Fritschi.

Sprachkurse genügen nicht

Zwar hätten 80 Prozent der ukrainischen Geflüchteten einen Sprachkurs besucht, doch mehr als die Hälfte benötige auch danach noch mehr Hilfe bei der Sprache. Die bürokratischen Hürden für Ukrainerinnen und Ukrainer hält Fritschi nicht für entscheidend. Ein grösseres Hindernis sei, dass viele ukrainische Diplome nicht anerkannt würden in der Schweiz. Auch die Finanzierung und Organisation der Kinderbetreuung stelle Ukrainerinnen weiter vor Probleme.

Erwerbsquote dürfte steigen

Fritschi hält das Ziel des Bundes für Ende 2024 dennoch für realistisch: Eine Verdoppelung der Erwerbsquote von heute 20 auf 40 Prozent sei möglich. «Viele Ukrainerinnen und Ukrainer bemühen sich um eine Arbeitsstelle, sind in Integrationsprogrammen, Sprachkursen oder einer Lehre. Bis in einem Jahr werden einige von ihnen eine Stelle gefunden haben.»

Ziel sei es auch, dass die Flüchtlinge die Sozialsysteme weniger belasten würden. Die Gefahr von Lohndumping sei kleiner als noch vor einem Jahr, weil die ukrainischen Flüchtlinge die Schweizer Verhältnisse inzwischen besser kennen würden.  

SVP warnt vor Rosinenpicken

Doch nicht alle wollen die Bewilligungspflicht aufgeben. Die SVP wehrt sich. «Erleichterungen für Flüchtlinge mit Status S wäre eine Rosinenpickerei», sagt Nationalrätin Martina Bircher. Die SVP verlange stattdessen Verschärfungen bei dieser Flüchtlingsgruppe – da könne es nicht sein, dass man Erleichterungen gewähre.

Auf der Bremse stehen auch FDP-Politiker: Sie wollen das Thema erst später anschauen – zusammen mit anderen Reformen rund um den Flüchtlingsstatus S. In wenigen Wochen entscheidet der Nationalrat. Stand heute könnte sich Mitte-Links durchsetzen und Ukrainerinnen und Ukrainern den Weg frei machen zum Job ohne «amtliche Bewilligung».

Heute Morgen, 10.11.2023, 6 Uhr

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