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Jordan zur Vollgeld-Initiative «Bei einer Annahme würde die SNB das Tafelsilber verscherbeln»

Die Nationalbank hält sich für gewöhnlich strikt heraus aus politischen Debatten. Zur Begründung heisst es jeweils: Die Währungshüter dürften ihre Unabhängigkeit nicht riskieren, das sei viel zu gefährlich. Doch nun, im Vorfeld der Abstimmung über die Vollgeldinitiative, ist das anders: Nationalbankpräsident Thomas Jordan nimmt Stellung.

SRF: Was für Konsequenzen hätte es, wenn nur noch die Nationalbank Schweizer Franken schaffen dürfte, wie es die Initiative fordert. Was würde das für Frau Meier, Herrn Müller – für uns alle – im Alltag bedeuten?

Thomas Jordan: Die direkteste Änderung wäre, dass sich die Bedingungen bei den Bankkonten verändern würden. Heute stehen die Banken im Wettbewerb. Sie müssen möglichst gute Bedingungen anbieten, damit Sie und oder ich – oder eben Frau Meier oder Herr Müller – gerne ein Konto bei einer bestimmten Bank haben. Dieser Anreiz für die Bank, sich einzusetzen, um diese Konti zu behalten, fällt dann weg. Die Bedingungen werden schlechter. Dazu kommt: Bei den Krediten wird Sand ins Getriebe geschüttet. Kredite für Hypotheken und für kleine und mittlere Unternehmen können teurer werden.

Thomas Jordan

Nationalbankpräsident

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Thomas J. Jordan wurde 1963 in Biel geboren. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern. Er wurde 2012 vom Bundesrat zum Präsidenten des SNB-Direktoriums gewählt.

Mit Vollgeld hätte die Nationalbank die volle Kontrolle darüber, wie viel Franken in Umlauf sind. Warum wollen Sie das nicht?

Es ist keine gute Idee, mehr Macht anzunehmen, wenn man sie nicht unbedingt braucht. Und diese Initiative würde die Arbeit der Nationalbank erschweren – und nicht erleichtern.

Die Gewinne aus der Geldschöpfung, also aus der Erzeugung von Schweizer Franken, würden im Vollgeldsystem nur noch bei der Nationalbank anfallen. Diese Gewinne könnte die Nationalbank verteilen – an den Staat und die Bürgerinnen und Bürger. Das wäre doch eine gute Sache, oder?

Da muss man sehr vorsichtig sein. Zum einen verteilen wir ja schon Gewinne aus der Geldschöpfung. Wir haben fast jedes Jahr einen Ertrag, manchmal auch ein Defizit. Aber wir schütten wenn immer möglich Geld an Bund und Kantone aus. Bei Annahme der Initiative wäre es neu so, dass die Nationalbank gleichsam das Tafelsilber verscherbeln würde. Wir würden Geschenke machen an Bund, Kantone oder auch die Bürger. Das wird mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Appetit nach sich ziehen, so dass wir viel mehr Geschenke machen, als sinnvoll ist. Das wird die Nationalbank und die Geldpolitik verpolitisieren.

Eine Frage zu ihrer Rolle in der Debatte. Sie geben Interviews, Reden. Die Vollgeld-Befürworter kritisieren dies als Propaganda. Ihr Engagement jetzt in diesem Fall ist schon ein bisschen heikel, oder?

Wir halten uns immer sehr zurück, wenn es um politische Fragen geht. Aber wir konzentrieren uns auf die Aufgaben der Nationalbank und in diesem Kontext haben wir auch eine Verantwortung, die Bürger darüber zu informieren, wie die Arbeit der SNB tangiert oder beeinträchtigt würde, wenn eben die Verfassung oder die Gesetze geändert werden. Und das wird eigentlich auch von der Bevölkerung erwartet.

Das Gespreäch führte Jan Baumann.

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