Gerade jetzt ist Wengen keine heile Welt: Wegen Corona wurden die Lauberhornrennen abgesagt, stattdessen gab es zahlreiche positive Coronafälle.
Ansonsten ist es eine heile Welt, sagt die 24-jährige Journalistin Lia Näpflin. Sie ist in Wengen aufgewachsen, nun ist sie im Dilemma, das wohl viele junge Menschen kennen, die ihre Kindheit an besonders schönen Orten verbracht haben: Bleiben oder gehen? «Hin und weg von Wengen» heisst ihre Diplomarbeit dazu. Wir haben mir ihr darüber und über die aktuelle Situation in Wengen gesprochen.
SRF News: Wie ist die Stimmung in Wengen derzeit?
Lia Näpflin: Etwas gestaucht, seit die Lauberhornrennen abgesagt wurden. Viel mehr kann man nicht sagen, weil man kaum jemanden sieht: Die Leute bleiben wegen Corona zu Hause, es ist ein kleines Geisterdorf.
Sie arbeiten an der Schneebar, die in die Schlagzeilen kam: Es wurde erzählt, da seien zu viele Menschen beieinander gewesen, teilweise ohne Maske. Wie haben Sie das erlebt?
Wir hatten viele Gäste aus dem Skigebiet und vom Dorf. Wir konnten nicht mehr tun, als die Leute immer wieder an die Regeln zu erinnern. Und aus unserer Sicht wurden diese auch eingehalten, die Leute trugen die Maske und hielten Abstand.
Unsere Schneebar wurde regelmässig von der Polizei kontrolliert.
Die Gerüchte, die im Dorf herumgingen, stimmen nicht: Es gab nie eine Party bei uns. Wir wurden regelmässig von der Polizei kontrolliert und für unser Konzept auch gelobt.
Wird denn im Dorf über mögliche Schuldige für die jetzige Situation diskutiert?
Es gibt überall Menschen, die Dorftratsch verbreiten. Aber im Grossen Ganzen nicht. Dass die Corona-Fallzahlen stiegen, war nach den Festtagen mit den vielen Touristinnen und Touristen auch aus anderen Ländern nicht wirklich eine Überraschung.
Ihre Diplomarbeit in Journalismus heisst «Hin und weg von Wengen», es geht um die Frage ‹bleiben oder gehen›. Was hält Sie in Wengen?
Ich habe den Luxus, dass die Skipiste bis vor unsere Haustür führt. Wir haben eine schöne Terrasse mit bestem Blick auf die Jungfrau und die anderen Berge um uns herum.
Die Kraft, die ich in Wengen spüre, spüre ich sonst nirgends.
Schon als kleines Kind habe ich gelernt, aus dieser Nähe zur Natur Kraft zu schöpfen. Diese Kraft spüre ich so nur in Wengen. Wenn ich einmal ausgelaugt bin oder traurig, weiss ich, dass ich wieder nach Wengen muss. Sobald ich da bin, geht es mir wieder besser.
Ich hatte in Wengen die schönste Kindheit, die man sich vorstellen kann. Das hat damit zu tun, dass Wengen wirklich eine kleine heile Welt ist. Es hat fast keine Autos, die Leute kennen alle Kinder und achten auf sie, ohne sie zu kontrollieren.
Das Dorf gibt einem eine Sicherheit, die man bestenfalls mitnehmen kann, wenn man weggeht.
Und was zieht Sie weg?
Man muss wissen, dass in der Zwischensaison hier nichts läuft. Und für einen jungen Menschen ist ‹nichts› nicht wirklich ein Grund zum Bleiben.
Mich ziehen die Kultur, der Ausgang, das Baden im See. Und die Karriere: Die Möglichkeiten sind für junge Menschen in Wengen begrenzt. Als Journalistin kann ich eher in Redaktionen in Zürich oder Bern weiterkommen.
Wie geht es anderen Ihrer Generation mit dem ‹Bleiben oder Gehen›?
Es gibt ein paar Leute in meinem Alter, die in Wengen bleiben. Aber die Tendenz ist schon die, dass die jungen Leute weggehen. Gleichzeitig kommen alle auch immer wieder zurück. Sei es zu Besuch oder sei es, dass sie später mit ihren eigenen Kindern hier wohnen kommen.
Wengen lässt einen nicht los. Das macht es für mich so magisch.
Das Gespräch führte Elisa Häni.