- Seit bald zehn Jahren hat Christoph Blocher sein Sprachrohr «Teleblocher».
- Jede Woche lässt er sich für die Internet-Sendung vom Journalisten Matthias Ackeret interviewen.
- In diesen Tagen steht bereits die 500. Folge von «Teleblocher» auf dem Programm. Ein Augenschein.
Die Stadt Zürich erwacht gerade erst – aber Matthias Ackeret trägt bereits Jackett und Krawatte, als er Punkt 6:30 Uhr aus der Haustüre kommt. Los geht's mit dem Auto Richtung Herrliberg. Um 7 Uhr wird der Journalist in Blochers Villa zur Aufzeichnung erwartet – das sei seit zehn Jahren ein festes Ritual am frühen Freitagmorgen.
Die Leute meinten immer, schildert Ackeret, der frühe Termin sei von Blocher angesetzt worden. Das stimme aber nicht: «Ich bin etwas stolz, sagen zu können: Es ist wegen mir. Ich schaue, dass ich um 9 Uhr wieder im Geschäft in Zürich bin.» Das habe bisher immer geklappt, nur einmal habe es einen Termin gegeben, den Blocher wohl falsch eingetragen habe: «Aber auf 500 Sendungen ist das wirklich nichts.»
Blocher ungefiltert
500 Sendungen – das sind mittlerweile über 180 Stunden «Teleblocher». Dabei war die Sendung ursprünglich gar nicht als langfristiges Projekt geplant, sondern nur für ein Jahr. Norbert Neininger, der mittlerweile verstorbene Verleger der Schaffhauser Nachrichten, hat das Format im Herbst 2007 fürs Schaffhauser Fernsehen kreiert. Es strahlt die Sendung auch heute noch aus und finanziert sie.
Ackeret wurde als Moderator angefragt, weil er kurz zuvor ein Buch über Christoph Blochers Führungsgrundsätze geschrieben hatte: «Das Blocher-Prinzip». Und Teleblocher ist tatsächlich so etwas wie die TV-Version des «Blocher-Prinzips». Denn im Prinzip hat Blocher in dieser Sendung freie Bahn: Er kann reden, ohne hartnäckige Nachfragen; der Moderator ist ein freundlicher Stichwortgeber.
Ackeret stört diese Umschreibung nicht:
Man kann so eine Sendung nicht über zehn Jahre im Stil von Roger Schawinski machen.
Er müsse Blocher in seiner Politik nicht belehren, sagt Ackeret, das wäre «anmassend»: «Mein Ziel muss sein, ihm durch meine Fragen die pointiertesten Aussagen zu entlocken, die andere Medien nicht bekommen.» Am Ende sei es, so der Journalist, auch eine Art Pressekonferenz.
In diesem Sinne sei Teleblocher mit dem Twitter-Kanal von US-Präsident Donald Trump vergleichbar. Die Idee, das Konzept sei im Prinzip identisch:
Du verfügst als Präsident, Bundesrat oder Oppositionsführer über einen alternativen Kanal, über den du deine Meinung einspeisen kannst – und überlistest damit die ‹etablierten Medien›.
Privataudienz fürs Volk
Punkt 7 Uhr kommen wir bei der Villa Blocher an. Wir klingeln, das Eingangstor öffnet sich. Der Hausherr steht im Anzug bereit. Christoph Blocher ist schon lange wach: «Ich bin um 4 Uhr aufgestanden. Ich arbeite meistens vor der Sendung noch, also beschäftigt es mich nicht gross, ob wir um 6, 7 oder 8 Uhr anfangen.»
Im hellen Wohnzimmer mit Blick auf den morgendlichen Zürichsee hängen Gemälde von Anker und Hodler. Hier werden die meisten «TeleBlocher»-Sendungen aufgenommen. Während der Kameramann die Technik installiert, besprechen Blocher und Ackeret bei einem Espresso die anstehende Sendung.
Er rede Ackeret bei der Themenwahl nicht drein, sagt der SVP-Stratege: «Ich gebe das nicht vor, das macht er.» Ganz so naiv geht Blocher dann aber doch nicht in seine eigene TV-Sendung. Auf Nachfrage räumt der alt Bundesrat ein: Wolle er ein bestimmtes Thema ansprechen, dann mache er das auch.
Natürlich gebe er sich Mühe, gewisse Dinge unterzubringen, etwa warum man bei einer Vorlage so und nicht anders abstimmen solle. Und dass ein Politiker so lange in einer Sendung sprechen könne, sei natürlich ungewöhnlich:
Es ist wahrscheinlich die grösste Medienkonferenz der Woche.
Blocher redet viel bei der nach ihm benannten Sendung: Er kritisiert die Entscheide des Parlaments, tadelt Bundesräte oder auch Parteikollegen, die nicht in seinem Sinn agieren – und lässt manchmal auch eine kleine Bombe platzen, wie 2014 seinen Rücktritt aus dem Nationalrat :
Ich verplempere meine Zeit in diesem Parlament.
Für einmal besinnlich
In dieser Sendung spricht Blocher über den 100. Geburtstag der Zürcher SVP – die Episode dürfte nicht als die brisanteste in die «Teleblocher»-Geschichte eingehen. Aber, sagt Blocher beim Aufräumen, ans Aufhören denke er nicht: «Die Sendung gehört dem Schaffhauser Fernseher, sie müssen bestimmen: Jetzt ist er zu alt, jetzt weiss er nicht mehr, was er ‹schnurred›.»
Offenbar gibt es auch nach fast zehn Jahren immer noch ein Publikum, das zuschaut, wie der bekannteste und umstrittenste Politiker der Schweiz 20 Minuten lang «schnurred» – ungefiltert, ungeschnitten, ohne Widerspruch. Die neueste «Teleblocher»-Episode in den ersten drei Tagen rund 5000 Mal angeklickt worden.