Wer sich bei den Schweizer Jungparteien um Beitritte kümmert, hatte in den letzten Jahren plötzlich deutlich mehr zu tun. Die Mitgliederzahlen gingen steil in die Höhe – in fast allen politischen Lagern. Die Jungen Grünen und Grünliberalen verzeichneten 2019 ein Ausnahme- respektive ein Rekordjahr. Fast alle anderen Jungparteien haben in diesem und im letzten Jahr stark zugelegt.
Engagement ohne Parteibuch
Dass die Diskussion um die Klimapolitik viele Jugendliche und junge Erwachsene politisiert hat, ist unbestritten. Doch es gibt weitere Bewegungen, die das politische Interesse gefördert habe, wie Me too oder Black Lives Matter. Sie fanden teilweise auf den Sozialen Netzwerken statt und boten so eine tiefe Eintrittsschwelle für politisches Engagement, das dann auf Protesten verstärkt werden konnte.
Doch wer sich einer Bewegung zugehörig führt, tritt deshalb nicht einer Jungpartei bei. Politisches Engagement ist längst ohne Parteibuch möglich. Die Mär von der apolitischen Party-Jugend, die durch Sendungen wie «Jung, wild und sexy» verstärkt wurde, war schon vor zehn Jahren falsch, und sie ist es heute erst recht. Erstaunlich ist demnach weniger die Politisierung an sich, als die Tatsache, dass sich in einer Zeit, in der maximale Unverbindlichkeit möglich ist, wieder mehr junge Menschen verbindlich in einer Partei engagieren wollen.
Corona politisiert
Hier kommt Corona ins Spiel: Viele Jungparteien verzeichneten in den Coronajahren einen doppelt so grossen Mitgliederzuwachs, wie in den Vorjahren. Dafür dürfte primär die Kombination von zwei Faktoren entscheidend sein. Zum einen zeigten die Entscheide von Bundesrat und Parlament zu den Corona-Massnahmen eindrücklich auf, wie direkt der Einfluss der Politik auf das Leben jedes Einzelnen ist. Die Eingriffe drangen bis ins Private, weshalb sich auch apolitische Menschen eine Meinung bildeten, und teilweise politisiert wurden. Zum anderen dürfte auch ein pragmatischer Grund eine Rolle gespielt haben: Junge Menschen hatten in der Pandemie plötzlich mehr Zeit, sich für eine Partei zu engagieren. Hobbies und andere Freizeitaktivitäten fielen zwischenzeitlich weg. Eine Jungpartei bot in einer Phase, als viele Sozialkontakte wegfielen, die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten und Gleichaltrigen in Kontakt zu sein.
Auffällig ist aber ein weiterer Punkt, der sich nicht allein durch Klima- oder Pandemiepolitik erklären lässt. Eine Umfrage von gfs.Bern zeigt, dass der Anteil der jungen Frauen, die sich als «teilweise politisch engagiert» bezeichnen, seit einigen Jahren konstant zunimmt. Frauen waren in der Politik traditionell stark unterrepräsentiert – und zwar nicht nur in politischen Gremien, sondern auch unter den Wählern. Jüngst ist der Frauenanteil im Nationalrat aber klar angestiegen. Viele Parteien haben bei den letzten nationalen und kantonalen Wahlen darauf geachtet, mehr gute Listenplätze an Frauen zu vergeben. Das dürfte junge Frauen motivieren, selbst Politik zu machen. Zum Beispiel bei einer Jungpartei.