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Justizinitiative von Millionär Ein Mann kauft sich eine Initiative

Adrian Gasser ist der Vater der Justizinitiative. Die Idee dafür hatte er schon in den 70ern. Allein die Mittel fehlten. Ein Porträt.

Adrian Gasser wartet im eleganten Anzug mit Hut, vor seinem Mercedes. Am Bahnhof Langenthal wirkt er aus der Zeit gefallen, wie ein Patron alter Schule. Per Auto gehts zu seinem Parkhotel. Vor dem Eingang wirbt ein Schild für die Justizinitiative. Auch ein Pin im Knopfloch an Gassers Jackett tut dies.

Im eleganten Speisesaal holt der 76-Jährige zu einem Vortrag über die sogenannte Classe politique aus; über die enge Verbandelung von Macht, Politik und Justiz. «Wir haben die Tendenz, dass die Classe politique die Gewaltentrennung nicht berücksichtigt.» Jeder, der hierzulande Richter wird, muss sich von den Parteien wählen lassen: «Das sind unhaltbare Zustände.»

Dass diese Richter dann auch noch einen Teil ihres Gehalts zurück an die Partei abliefern müssten, störe ihn schon sehr lange – darum die Initiative. Geld spiele dabei keine Rolle. «Ich bin froh, dass ich diese Mittel habe, und setze sie dafür ein. Andere haben eine Jacht in Monaco. Das liegt mir fern.»

Kein Glück als National- oder Ständerat

Es ist nicht das erste Mal, dass Gasser in die Politik eingreifen will. 1987 kandidierte er als Unabhängiger für den National- und später für den Ständerat – vergeblich. Mehr Erfolg war dem Wirtschaftsprüfer in der Privatwirtschaft beschieden. Dort ist sein Name eng mit dem Niedergang der Schweizer Textilbranche verbunden: Er kaufte in den 1980er- und 90er-Jahren Spinnereien, legte sie still, baute sie um und verdiente so Millionen.

Seine Geschäftsmethoden machten ihn zum Feind der Gewerkschaften – Anarcho-Kapitalist, Textil-Rebell und Rambo der Wirtschaft wurde er genannt.

Adrian Gasser
Legende: Mit Adrian Gasser setzt sich eine schillernde, aber auch umstrittene Figur der Industriegeschichte für ein Volksbegehren ein. Keystone

Aber auch mit Unternehmern legte er sich immer wieder an: Anfang der 1980er-Jahre ging er gegen Christoph Blocher vor Bundesgericht – es ging um den Kauf einer Spinnerei in Interlaken. In den folgenden Jahren prozessierte er immer wieder. Bei einer der bekanntesten Auseinandersetzung, die bis vors Bundesgericht ging, ging es um die Spinnerei Kollbrunn. Gasser stand gegen die Gewerkschaften vor Gericht und steckte eine empfindliche Niederlage ein.

Das Feindbild des reichen Unternehmers

Zum ersten Mal überhaupt wurde das Recht zu streiken in der Schweiz bestätigt. Die Gewerkschaften bezeichnen den Präzedenzfall heute als grossen Sieg. Gasser sagt dazu: «Es war ein politischer Entscheid, der ganz genau zur Classe politique passt.» Da ist sie wieder, die Classe politique, das Feindbild des Unternehmers, dessen Vermögen von der Zeitschrift «Bilanz» im letzten Jahr auf 250 bis 300 Millionen Franken geschätzt wurde.

Und jeder, der mich kennt, weiss, dass ich dieses Thema immer wieder ansprach, aber die Mittel nicht hatte.
Autor: Adrian Gasser Urheber der Justizinitiative

Und nun diese Initiative: Ist sie sein privater Rachefeldzug gegen das Bundesgericht, mit dem er so oft zu tun hatte? «Das ist Blödsinn. Die Idee kam mir viel früher», so Gasser. «Und jeder, der mich kennt, weiss, dass ich dieses Thema immer wieder ansprach, aber die Mittel nicht hatte.»

Initiative wird am Montag eingereicht

Nun hat er nach eigenen Angaben die Unterschriften zusammen. Er habe selbst mitgesammelt. Doch wie andere vor ihm hat er auch für Unterschriftenbögen bezahlt. Verbündete hat er wenige. Das ist ihm egal: «Wenn ich mich für etwas engagiere, dann ziehe ich es durch.»

Nächsten Montag will Gasser die Unterschriften bei der Bundeskanzlei einreichen, und dann, sagt er, gehe der Kampf «für mehr Demokratie in der Schweiz» erst richtig los. Ob die Bundesrichter künftig tatsächlich per Los gewählt werden, entscheidet nicht Gasser, sondern das Stimmvolk.

Ehemaliger Bundesrichter kritisiert Verlosung

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Niccolò Raselli
Legende: Keystone

Die Justizinitiative will, dass das Los entscheidet, wer Bundesrichter oder Bundesrichterin wird – unabhängig von den Parteien. Dem ehemaligen Bundesrichter Niccolò Raselli gefällt diese Idee nicht. Die Bewerber seien nie alle gleichwertig. Mit dem Losverfahren nehme man aber in Kauf, dass jemand Richter oder Richterin werde, den oder die die Kommission nicht gewählt hätte. «Hinzukommt, dass damit die gesellschaftspolitische Zusammensetzung des Gerichtes dem Zufall überlassen würde. Dafür trüge niemand die Verantwortung», kritisiert Raselli. Denn ein Würfel könne keine Verantwortung tragen.

Sein Vorschlag, um den Einfluss der Parteien zu reduzieren, wäre ein Verzicht auf Wiederwahlen. «Man könnte nicht mehr drohen, die Richter und Richterinnen nicht mehr wiederzuwählen.» Sie blieben im Amt. Gleichzeitig müsste man auch ein Abberufungsverfahren vorsehen – für den Fall von Amtsunfähigkeit oder -unwürdigkeit.

Eine andere valable Massnahme wäre für ihn eine unabhängige Kommission, wie sie die Initiative vorschlägt. Vor einer solchen hätten auch parteiunabhängige Kandidaten eine Chance. Raselli war 17 Jahre lang am Bundesgericht tätig und ist SP-Mitglied.

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