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Kabine für Simultanübersetzung Neu übersetzen Dolmetscher die Voten der Bündner Grossräte

Bekannt aus dem Nationalrat – jetzt auch im Grossen Rat in Chur: Politikerinnen und Politiker haben einen Knopf im Ohr.

Was man von der UNO in Genf oder dem Nationalrat in Bern kennt, gibt es neu auch im Grossen Rat in Chur. Kantonsrätinnen und Kantonsräte tragen ab heute bei Bedarf einen Knopf im Ohr. Ihnen werden alle Voten, die in den drei Kantonssprachen daherkommen, simultan ins Italienische und ins Deutsche übersetzt.

30. August – die Premiere

Im Grossen Rat des Kantons Graubünden galt bis dato vor allem Deutsch als Parlamentssprache. Viele der italienisch oder romanisch sprechenden Ratsmitglieder fühlten sich deswegen benachteiligt. Darum hat das Parlament vor einem guten Jahr die Einführung der Simultanübersetzung beschlossen.

Zu den Umbauarbeiten am Grossratsgebäude gehörte darum auch der Einbau von zwei Kabinen für Simultanverdolmetschung. Im Bereich der Tribünen stehen die beiden Dolmetscherkabinen nun da und sind parat für den Testlauf.

Der Dolmetscher-Kuchen in der Schweiz ist klein.
Autor: Hans Martin Jörimann Leiter Dolmetschter-Team

Dieser hat am Donnerstagnachmittag stattgefunden. Und alles habe gut geklappt, auch dank dem «Spick» mit schwierigen, ungewohnten Wörtern wie der Vereidigungsformel, sagt Dolmetscher Hans Martin Jörimann mit einem Augenzwinkern.

Übersetzerduo in der Kabine an der Arbeit
Legende: Hier wird auf Deutsch übersetzt. In diesem Übersetzerduo dabei ist Teamleiter Hans Martin Jörimann. SRF VALENTINA DE VOS

Übersetzerinnen und Übersetzer zu finden, war nicht einfach, denn Simultandolmetscher, die Romanisch verstehen, seien dünn gesät. «Der Dolmetscher-Kuchen in der Schweiz ist klein», sagt dazu Dolmetscher Hans Martin Jörimann.

Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch

Mit seinem Team ist Hans Martin Jörimann für die Simultanübersetzung zuständig. Sechs Leute übersetzen die Voten in alle drei Kantonssprachen – Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch. So sind bei einer viertägigen Session jeweils zwei Übersetzende pro Tag im Einsatz.

Grosses Interesse

Für die Première am Donnerstag gab es das Grossaufgebot. Beide Kabinen waren mit je zwei Übersetzenden belegt. Am ersten Sessionstag sei das Interesse besonders gross gewesen, sagt Jörimann. Alle Augen und Ohren seien auf die Dolmetscherinnen und Dolmetscher gerichtet gewesen. Er hoffe, dass dieses Interesse auch anhalte.

Hans Martin Jörimann, der im Bundeshaus oder an anderen mehrsprachigen Orten engagiert ist, hat sich auf den Einsatz im Grossen Rat Graubünden speziell vorbereitet. Weil die romanisch sprechenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier in ihren Dialekten reden, sind sie schwer zu verstehen.

Kosten: Über 1 Million Franken

Box aufklappen Box zuklappen

Für die ganze Simultanübersetzung greift der Grosse Rat tief in die Kasse. Die Installation der technischen Anlage, dazu gehört auch ein neues elektronisches Abstimmungssystem, kostet gemäss Angaben des Grossratsbüros rund 1.2 Millionen Franken. Dazu kommen jährliche Unterhaltskosten von 200'000 Franken.

Die sogenannten Idiome unterscheiden sich stark voneinander. Jörimann hat darum angefangen, Podcasts zu hören mit romanischen Stimmen, «um die Stolpersteine der vielen Idiome besser erkennen zu können».

Mehrsprachigkeit leben

Die Erwartungen der Politik sind gross, dass die Mehrsprachigkeit im Rat dank der Simultanübersetzung künftig gelebt wird. In diesen Tagen wird sich weisen, ob die Grossrätinnen und Grossräte mehr italienisch und rätoromanisch reden und so der Bündner Parlamentsdebatte eine neue Qualität geben.

Ab Oktober soll die Simultanübersetzung auch im Internet-Streaming des Grossen Rates verfügbar sein.

SRF 1, Regionaljournal Graubünden, 30.08.2023, 17:30 Uhr ; 

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