Sandra Huber ist besorgt. 3758 waren es letztes Jahr. 3758 Leute, die im Kanton Luzern, wo Huber Synodalrätin ist, aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind. Tendenz steigend. Fünf Jahre vorher waren es noch nur etwa halb so viele Austritte.
Ich finde es sehr schade, dass sich Menschen nicht mehr mit der Kirche verbunden fühlen können.
Die vielen Austritte sind auch ein finanzielles Problem für die Kirche. Denn jeder Austritt bedeutet eine Person weniger, die Kirchensteuer bezahlt. Genau in der Kirchensteuer ortet Synodalrätin Huber einen der Hauptgründe für die vielen Austritte. Ein Indiz dafür sei der Zeitpunkt: «Im Frühling, wenn die Leute die Steuererklärung ausfüllen, und Ende Jahr, wenn sie die Steuern bezahlen müssen, haben wir vermehrt Austritte.»
Hinzu kommt der Vergleich mit anderen Kantonen: «In Genf, Neuenburg und in der Waadt, wo keine Kirchensteuer erhoben wird, gibt es kaum Kirchenaustritte.»
Die Luzerner Synodalrätin Sandra Huber glaubt aber nicht, dass es den Menschen einfach nur darum geht, Geld zu sparen. Sie vermutet vielmehr, dass viele eine falsche Vorstellung davon haben, wofür ihre Steuern verwendet werden: «Viele sagen sich: 'Warum soll ich Kirchensteuern bezahlen? Die fliessen sowieso nach Rom.'» In Wirklichkeit fliesse aber gar nichts nach Rom. «93 Prozent der Kirchensteuer gehen zur Kirchgemeinde, 7 Prozent an die Kantonale Landeskirche», hält Huber fest.
Das ganze Geld bleibt hier und kommt allen Leuten zugute.
Mit einer Kampagne will die katholische Kirche nun aufzeigen, was sie mit dem kirchlichen Steuergeld macht. «Viele wissen gar nicht, wo überall Kirche drin ist», sagt Sandra Huber und nennt gleich ein paar Beispiele: «Die Caritas, die armutsbetroffenen Menschen hilft, die Beratungsstelle Elbe, die unter anderem für Familien und schwangere Frauen da ist, oder auch die Jugendorganisation Jubla.»
Die Charme-Offensive der katholischen Landeskirchen legt den Fokus also auf das soziale Engagement, das durch die Kirchensteuern ermöglicht wird. Klar ist aber auch, dass die Kirche nicht nur wegen der Steuern ein Problem mit Austritten hat. Die konservative Haltung Roms dürfte auch ihren Teil dazu beitragen.
Der Ruf der Kirche habe gelitten, sagt etwa der Pfarreileiter von Ruswil, Wolhusen und Werthenstein, Adrian Wicki: «In den letzten zehn Jahren waren die Missbrauchsskandale ein grosses Thema, inzwischen sind es auch die Frauenfrage oder der Umgang mit Homosexualität, welche die Leute bewegen.»
Zu den genauen Ursachen der Austritte gibt es allerdings keine gesicherten Erkenntnisse. Denn die meisten Mitglieder, die austreten, gäben gar keine Gründe an, sagt Susanna Bertschmann, Kirchenratspräsidentin der Stadt Luzern. Ihr fällt aber auf, dass mehrheitlich jüngere Menschen der Kirche den Rücken kehren.
Über 70 Prozent derjenigen, die austreten, sind 40-jährig oder jünger.
Mit ihrer Kampagne versucht die römisch-katholische Kirche nun also Gegensteuer zu geben und möglichst weitere Austritte zu verhindern. Synodalrätin Sandra Huber glaubt durchaus daran, dass der negative Trend gebrochen werden könne. Und fügt hoffnungsvoll an: «Wenn wir sogar ein paar Kircheneintritte bewirken könnten, wäre das mein ganz persönliches Highlight.»