Zum Inhalt springen

Kampf gegen Korruption Haben libanesische Politiker Geld auf Schweizer Banken versteckt?

SP-Nationalrat Fabian Molina fordert vom Bundesrat ein Einfrieren der Gelder. Doch dieser will davon nichts wissen.

Politiker aus dem Libanon sollen Geld in der Schweiz versteckt haben, sogenannte Potentatengelder. Davon ist SP-Nationalrat Fabian Molina überzeugt: «Wir gehen davon aus, dass es sich um mehrere hundert Millionen bis über zwei Milliarden Franken handelt. Das ist Geld, das die libanesische Bevölkerung, die unter Hunger, Armut und jetzt auch einer Katastrophe leidet, dringend gebrauchen könnte.»

Molina stützt sich auf Indizien. So haben libanesische Gelder auf Banken in der Schweiz seit Ende 2018 stark zugenommen. Er sieht darum die Regierung in der Pflicht: «Der Bundesrat muss die Gelder blockieren. Dann kann sauber abgeklärt werden, ob das Geld tatsächlich durch Korruption erworben wurde und zurückgegeben werden muss oder nicht.»

Fabian Molina
Legende: SP-Nationalrat Molina sieht den Bundesrat in der Pflicht, das potenzielle Potentatengeld einzufrieren, bis klar ist, woher es kommt. Keystone

Der Bundesrat will davon bis jetzt aber nichts wissen, denn das Gesetz definiert vier Bedingungen, um Potentatengelder zu sperren:

  1. Die Regierung im Herkunftsstaat müsse die Macht verloren haben.
  2. Korruption müsse im Herkunftsstaat ein grosses Problem sein.
  3. Die Gelder müssten durch Korruption oder ein anderes Verbrechen erworben worden sein.
  4. Es müsse im Interesse der Schweiz sein, die Gelder zu sperren.

Die Voraussetzungen 1 bis 3 sind im Libanon wohl erfüllt. Aber ist es im Interesse der Schweiz, die Gelder zu sperren? Der Bundesrat meint Nein: «Nach sorgfältiger Prüfung der Situation im Libanon ist der Bundesrat der Ansicht, dass diese Voraussetzungen nicht kumulativ erfüllt sind.»

Fehlerhaftes Rechtshilfegesuch

Gretta Fenner, Direktorin des Basel Institute on Governance, sieht das anders. Es kommt nämlich noch ein weiterer Aspekt dazu. Die libanesischen Behörden haben Anfang 2020 ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz gestellt. Dieses ist noch fehlerhaft, deshalb hat das Bundesamt für Justiz im Libanon um zusätzliche Informationen nachgefragt, um allenfalls Rechtshilfe leisten zu können.

Die Schweiz ist unter der UNO-Konvention gegen Korruption verpflichtet, ausländischen Staaten die grösstmögliche Kooperation zu gewähren.
Autor: Gretta Fenner Basel Institute On Governance

Aber entscheidend sei, dass die libanesischen Behörden aktiv geworden seien, so Fenner: «Die Schweiz wird um Hilfe gebeten und ist unter der UNO-Konvention gegen Korruption verpflichtet, ausländischen Staaten die grösstmögliche Kooperation zu gewähren.» Zusammen mit dem Rechtshilfegesuch sei das vollkommen ausreichend, um zu argumentieren, dass die Einfrierung der Gelder im Interesse der Schweiz sei.

Ermessensspielraum für den Bundesrat

Nur kann dieses politische Interesse der Schweiz auch anders ausgelegt werden. Der Bundesrat hat einen Ermessensspielraum, solange das Rechtshilfegesuch fehlerhaft ist. Genau das ist störend bei den Potentatengeldern, findet Fenner.

«Korruptionsbekämpfung nicht mit Interessenpolitik verbinden»

Box aufklappen Box zuklappen

Auch die Basler Professorin für Bankenrecht, Monika Roth, stört sich an diesem Ermessensspielraum für den Bundesrat: «Die Bekämpfung der Korruption darf nicht mit Interessenpolitik verbunden werden. Wir haben seit 2003 eine internationale Konvention zur Bekämpfung der Korruption. Eigentlich ist die Zielsetzung überhaupt nicht erfüllt worden, dass kriminelle Potentaten sich nirgendwo mehr sicher fühlen können.»

Molina prüft deshalb Möglichkeiten, wie das Gesetz angepasst und der Ermessensspielraum des Bundesrats eingeschränkt werden könnte. Bei den Bürgerlichen dürfte der SP-Nationalrat damit aber auflaufen. So sagt etwa FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, der Bundesrat müsse auch bei Potentatengeldern immer Schweizer Interessen mitberücksichtigen können: «Das können wirtschaftliche, aber auch menschliche Interessen sein.»

SVP-Nationalrat Thomas Matter glaubt, dass das Ganze ein Sturm im Wasserglas sei. Als Banker könne er sich gar nicht vorstellen, dass Potentatengelder aus dem Libanon in der Schweiz seien, «weil die Schweizer Banken bei sogenannten Political Exposed Persons extrem strikt sind». Allerdings nahm sich auch die Finanzmarktaufsicht (Finma) der Sache an, wie sie gegenüber Radio SRF bestätigte. Ein Thema ist es also definitiv.

Echo der Zeit, 07.08.2020, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel