«Der Täter sagte, er gehöre zur Mafia. Er, seine Freunde und Verwandte drohen damit, mich zu töten.» Mohammed Hamdi lebt in Angst, seitdem er der Genfer Justiz geholfen hat. Die Geschichte geht zurück auf den 13. März 2017. Damals entführen drei bewaffnete Gangster einen Diamantenhändler. Sie zwingen den Mann, seine Tresore zu öffnen. Ihre Beute: Diamanten im Wert von mindestens 15 Millionen Franken. Dann verschwinden sie spurlos.
Die Genfer Justiz veröffentlicht deshalb ein Fahndungsvideo auf Youtube. Tatsächlich meldet der Algerier Mohammed Hamdi in Genf, dass sein Nachbar Nabil ihm das Video gezeigt und geprahlt habe: Er sei einer der Täter. Nabil A. wird in Algerien verhaftet und zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt.
Bereits 2018 beantragt die Genfer Staatsanwaltschaft Zeugenschutz für Hamdi. In den Akten, die SRF vorliegen, steht zur Begründung: «Angesichts der erwiesenen Gefährlichkeit von Nabil A. und weil er trotz seiner Einsperrung in der Lage ist, Personen ausserhalb des Gefängnisses zu kontaktieren, (...) fürchte ich um die physische Integrität von Mohammed Hamdi und seiner Familie.» Mohammed Hamdi, seine Frau und ihre beiden kleinen Kindern sollen in die Schweiz gebracht werden, sobald das Verfahren in Algerien abgeschlossen ist.
Generalstaatsanwalt: Genf nicht zuständig für den Schutz
2023 dann greift der Onkel von Nabil A. Hamdi mit einem Hammer an, als Hamdi in einem Kaffee sitzt. Er wehrt den Schlag ab, flieht. Röntgenbilder und ein Arztbericht dokumentieren die Verletzung. Und noch Anfang dieses Jahr warnt ein algerischer Polizist Hamdi: Die Täter würden sich rächen.
In den Akten der Genfer Staatsanwaltschaft steht: «Objektiv: der Mann hat seine Verpflichtungen eingehalten und ist sehr gefährdet. Er verdient die Unterstützung, die ihm die Behörden versprochen haben.»
Doch der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot entscheidet anders. Genf sei nicht zuständig für den Schutz, weil das ganze Verfahren in Algerien gewesen sei. Auf Fragen zum Verfahren lässt Jornot ausrichten: Das Genfer Rekursgericht habe seine Entscheidung bestätigt. Hamdis Anwalt Romain Jordan ist empört: «Mein Klient wird nicht beschützt, obwohl er bedroht wird und angegriffen wurde. Diesen Zustand finde ich unerträglich.»
Nicht der einzige Fall
Der Fall Hamdi ist kein Einzelfall. Bereits 2021 ermöglicht Olivier Jornot in einem anderen Fall keinen Schutz. In diesem Fall hatte die Polizei einen früheren Banditen als Informanten angeworben. Dank seiner Hilfe kommt es zu Festnahmen. Doch anschliessend muss sich der Informant gegenüber der französischen Justiz enttarnen. Seither wollen ihn die Gangster töten.
Anwalt Jordan klagt: «In so schweren Fällen, da steht die Schutzpflicht zuvorderst. Eine Pflicht des Staates, der vorher von den Zeugenaussagen profitiert hat. Dass man sie so fallen lässt, das finde ich schockierend.» Auch in diesem Fall verweigert der Generalstaatsanwalt eine Stellungnahme.