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Kanton Waadt Steuer-Rabatt falsch umgesetzt – Kanton ignorierte Hinweise

  • Der Steuerrabatt für Reiche im Kanton Waadt war zwischen 2009 und 2021 nicht gesetzeskonform, wie ein neuer Untersuchungsbericht zeigt.
  • Demnach sei die Besteuerung nicht richtig umgesetzt worden.
  • Trotz Meldungen von Mitarbeitenden wurden keine Massnahmen gegen den Missstand ergriffen.

Der Bericht von François Paychère, einem unabhängigen Experten, deckte Abweichungen auf zwischen den gesetzlichen Bestimmungen im Steuerbereich und der Weise, wie die Besteuerung von der Informationstechnik umgesetzt wurde. Mitarbeitende der kantonalen Steuerverwaltung meldeten diese Probleme 2011 und 2015 ihren Vorgesetzten. Doch diese ergriffen keine Massnahmen.

Wie viel Schaden hat die Praxis verursacht?

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Dank dem «Bouclier Fiscal», den Steuerprivilegien, haben Reiche jahrelang zu wenig Steuern bezahlt. Wie viel Geld dem Kanton genau verloren ging, lässt sich gemäss dem Experten, der die Untersuchung gemacht hat, nicht genau sagen. «Je nach Steuerjahr schwanken die Ausfälle zwischen 40 und 80 Millionen Franken», sagt SRF-Westschweizkorrespondent Philippe Reichen. Zusammengerechnet sind dies mehrere 100'000 Franken. 1000 bis 4000 Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben damit vom «Bouclier Fiscal» profitiert.

Dem Bericht zufolge wurden die Informationen über die Missstände nicht an den Staatsrat weitergeleitet. Die finanziellen Folgen dieser mangelhaften Steuerschutzpraxis lassen sich laut dem Untersuchungsbericht nicht beziffern.

Staatsrat: PUK nicht erforderlich

Angesichts der im Bericht festgestellten Fakten hält der Staatsrat die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) für nicht erforderlich, wie er mitteilte. Die Regierung ergreife jedoch Massnahmen, um die Arbeitsweise der Generaldirektion für Steuern zu verbessern, insbesondere durch Prüfungen. Die endgültige Entscheidung über eine PUK liegt beim Grossen Rat.

Mit dem sogenannten Steuerschild sollte unter anderem verhindert werden, dass reiche Steuerzahler abwandern. Die Bestimmungen zu den Erleichterungen für reiche Steuerzahler wurden im Kanton Waadt 2009 eingeführt und in den Jahren 2017, 2021 und 2024 angepasst.

Korrespondentin: «Gravierende Missstände im Kanton Waadt»

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«Dem Kanton Waadt sind über Jahre hinweg hunderte Millionen Franken entgangen – Geld, das vermögende Steuerzahler sparten, aber dem Kanton fehlte. Besonders brisant: Waadt ist seit einiger Zeit ein Nehmer-Kanton im nationalen Finanzausgleich. Doch die Frage, ob das anders gewesen wäre bei korrekter Besteuerung, wurde heute an der Pressekonferenz nonchalant weggelacht – das könne man nicht sagen. Der Bericht nennt nur eine grobe Grössenordnung der Verluste. Man könne nicht abschätzen, wie viele Vermögende weggezogen wären, wenn sie mehr hätten zahlen müssen.

Valérie Dittli war es, die die illegale Steuerpraxis aufdeckte – und sich dabei mit der Chefbeamtin der Steuerbehörde anlegte. Im Zuge der Affäre wurde ihr das Departement entzogen. Wer nun für die Steuerlöcher verantwortlich ist? Niemand, wenn es nach der Waadtländer Regierung geht. Der langjährige Finanzminister Pascal Broulis – heute FDP-Ständerat – habe erst spät von den Problemen erfahren. Die Amtsvorsteherin, mit der auch Dittli aneinandergeraten ist, kann sich nicht erinnern, je informiert worden zu sein.

Ob man sich im Kanton Waadt mit diesen Antworten zufriedengibt, wird sich im Herbst zeigen. Das Parlament fordert eine Untersuchung – unterstützt von links bis Grünliberal. Die FDP steht hinter Broulis, und was die SVP bei der Abstimmung macht, wird besonders interessant. Sollte es zur Untersuchung kommen, wird sich Broulis wohl die Frage gefallen lassen müssen, warum er über zehn Jahre nicht gemerkt hat, dass ihm hunderte Millionen Franken entgehen.«

Rendez-vous, 26.8.2025, 12:30 Uhr ; 

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