Darum geht es: Der Kanton Aargau muss sein Gesetz über Ausbildungsbeiträge anpassen, denn er ist dem «Stipendienkonkordat» beigetreten, einer Vereinbarung zwischen den Kantonen. Die Änderungen im Rahmen dieses Konkordats sind weitgehend unbestritten.
Die Aargauer Politik nutzte die Gesetzesanpassung aber für weitere Änderungen. Sie will ein «Splittingmodell» einführen. Neu sollen nur noch zwei Drittel der Ausbildungsbeiträge als Stipendien gewährt werden, ein Drittel wird als zinsloses Darlehen ausbezahlt. Dieses Geld müssen Studentinnen und Studenten innerhalb von zehn Jahren nach Abschluss der Ausbildung zurückzahlen.
Das sind die Betroffenen: Im Jahr 2016 hat der Kanton Aargau gemäss Zahlen der Regierung rund 3300 Personen in Ausbildung finanziell unterstützt. Im Durchschnitt erhalten Studierende rund 5460 Franken pro Jahr. Für Zweitausbildungen und Weiterbildungen gibt es keine Stipendien, sondern bereits heute nur Darlehen.
Vom neuen «Splittingmodell» wären laut Regierungsrat rund 1200 Studentinnen und Studenten pro Jahr betroffen. Sie müssten künftig also einen Teil der Unterstützungsbeiträge zurückzahlen.
So argumentieren die Befürworter: Wer einen Hochschul-Abschluss hat, der verdient gut. Es ist deshalb kein Problem, wenn man einen Teil der Ausbildungsbeiträge wieder «abstottern» muss. Es ist möglich, dass durch die neue Regelung mehr Studierende während ihrer Ausbildung arbeiten gehen. Das könnte auch gegen den Fachkräftemangel helfen.
Bereits mit den unbestrittenen Änderungen im neuen Gesetz spart der Kanton 700'000 Franken jährlich. Durch das «Splittingmodell» können noch einmal rund 3 Millionen Franken gespart werden. Für die Bewirtschaftung der Darlehen (Abrechnungen, Mahnungen etc.) braucht es rund 1,3 Millionen. Unter dem Strich bleibt also eine Einsparung von 2,4 Millionen Franken pro Jahr.
Im Aargauer Staatshaushalt droht aktuell eine Finanzierungslücke von bis zu 250 Millionen Franken jährlich. Deshalb sind diese Einsparungen im Stipendienbereich notwendig, finden Regierung und Parlamentsmehrheit.
So argumentieren die Gegner: Stipendien sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass junge Menschen aus allen sozialen Schichten eine gute Ausbildung erhalten können. Wer für die Ausbildung Schulden machen muss, der verzichtet vielleicht auf ein Studium – die Chancengleichheit ist gefährdet.
Wer während des Studiums arbeiten muss, der hat weniger Zeit für die Ausbildung. Die Ausbildungsdauer verlängert sich, was wiederum zu höheren Kosten führt. Zudem ist die Bewirtschaftung der Darlehen zu teuer: Das Geld fliesst nicht mehr in die Bildung, sondern in die Bürokratie, heisst es bei der linken Minderheit im Parlament.
Schon heute sind die Aargauer Regeln für Stipendien im Schweizer Vergleich streng. Mit dem neuen «Splittingmodell» würde der Kanton Aargau künftig den letzten Platz aller Kantone belegen bei den Ausgaben für Stipendien.
Das sind die Fronten: Der Grosse Rat hat das neue Stipendiengesetz mit 84 zu 48 Stimmen gutgeheissen. Die Regierung und die bürgerliche Parlamentsmehrheit empfehlen ein Ja.
Bei den Parteien sind die Fronten nicht (mehr) so klar: FDP und SVP sagen Ja zum neuen Stipendiengesetz. Die CVP liess sich von ihrer Jungpartei am Parteitag zu einer Nein-Parole umstimmen. SP und Grüne sowie BDP, GLP und EVP sind ebenfalls gegen das neue Stipendiengesetz.
So lautet die Prognose: Das Rennen bei dieser Abstimmung ist offen. Eine klare Mehrheit im Parlament bedeutet bei Bildungsvorlagen nicht zwingend eine klare Mehrheit beim Volk. Das haben frühere Sparvorlagen im Bildungsbereich gezeigt.
Tendenziell ist bei den Jungparteien eine kritischere Haltung zur Vorlage auszumachen. Allerdings ist fraglich, ob die Jungen zahlreich an die Urne strömen, um sich gegen die strengeren Regeln bei Stipendien zu wehren.
Einmal mehr muss sich das Aargauer Stimmvolk entscheiden zwischen den Ansprüchen der Bildungspolitik und der Finanzpolitik. Eine schwierige und spannende Entscheidung am 4. März.