Der Sprint am Schluss ist knapp. So knapp, dass Nicola Spirig im Ziel nicht weiss, wer gewonnen hat. Sie oder ihre schwedische Konkurrentin Lisa Nordén? Minuten des Wartens vergehen. Währenddessen bereiten sich die Sportlerinnen in einem Raum schon auf die Siegerehrung vor. «Es war eine spezielle Situation», erinnert sich Nicola Spirig. «Wir lachten darüber, dass wir nicht wussten, wer von uns gewonnen hat.» Erst das Zielfoto bringt der Schweizerin Gewissheit.
Dieser Olympiasieg in London ist der Höhepunkt von Nicola Spirigs Karriere und ein grosser Erfolg fürs Land. «Ich war erst die vierte Schweizerin, die an Olympischen Sommerspielen Gold geholt hat», sagt Spirig im Rückblick. Zehn Jahre ist dies her. Am Samstag beendet Spirig als eine der erfolgreichsten Schweizer Sportlerinnen mit dem Greifenseelauf (ZH) ihre Karriere.
«Ich bin dankbar, dass ich den Rücktritt selbst bestimmen konnte und nicht durch eine Verletzung dazu gezwungen wurde», sagt die 40-Jährige. «Ich freue mich auf mehr Zeit mit meiner Familie und andere Projekte.» Spirig will sich unter anderem weiter in ihrer Stiftung für Kinder und Jugendliche engagieren.
Der Rücktritt stimme sie auch traurig, räumt Nicola Spirig ein. «Natürlich werde ich einiges vermissen. Aber ich habe durch den Sport gelernt, mich mehr auf Zukünftiges als auf Vergangenes zu fokussieren.» Zudem werde der Sport in ihrem Leben weiterhin präsent sein.
Als Kind am Sonntag in der Turnhalle
Schon als Kind wächst Nicola Spirig sportlich auf, sie ist Tochter eines Turnlehrerpaars. «Meine Geschwister und ich hatten das Privileg, an Sonntagen in die Turnhalle zu gehen.» Dort durften sie verschiedenste Sportarten ausprobieren. Häufig trainierte die Familie auch gemeinsam.
Diese Leidenschaft möchten Spirig und ihr Mann, der ebenfalls Spitzensportler war, ihren drei Kindern auch weitergeben. «Wir beide haben durch den Sport sehr viel gelernt fürs Leben. Und wir hoffen, dass unsere Kinder dies auch so erleben. Es muss nicht Spitzensport sein.» Aber wie einst die kleine Nicola soll auch ihr Nachwuchs verschiedene Sportarten ausprobieren können.
Nicola Spirig auf Siegeszug
Als Kind und Jugendliche spielt Spirig Basketball, fährt Ski und Snowboard. Als es zeitlich zu viel wird, entscheidet sie sich für den Triathlon. «In dieser einen Sportart gab es immer noch drei Disziplinen. So musste ich mich nicht auf etwas beschränken.»
Spirig erlebt zudem mit, wie Triathlon im Jahr 2000 in Sydney erstmals zu den olympischen Sportarten gehört. «Damals entstand der Olympia-Traum.» Fünfmal nimmt sie in ihrer Karriere am Wettkampf teil. Vier Jahre nach ihrem Sieg in London gewinnt sie an der Olympiade in Rio de Janeiro 2016 Silber. Die Medaillengewinne bewegen die Sportlerin noch heute: «An Olympischen Spielen auf dem Podium zu stehen und die Nationalhymne zu hören, ist ein wahnsinniges Gefühl.»
Doch egal um welchen Wettkampf es sich handelt: Nicola Spirig versucht stets, das Maximum zu erreichen. Dies gilt auch für ihren letzten Lauf rund um den Greifensee. Eine Bestzeit erwartet sie nicht, da sie weniger intensiv trainiert hat. «Aber wenn ich an der Startlinie bin, will ich auch mein Bestes geben», sagt Nicola Spirig. «Sonst muss ich nicht starten.»