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Kanton Bern: Steuererhöhungen trotz Bauboom
Aus Schweiz aktuell vom 26.04.2022.
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Kehrseite des Baubooms Gemeinden in der Wachstumsfalle – das steckt dahinter

Obschon sie einen Bauboom erlebt haben, müssen mehrere Berner Gemeinden ihre Steuern anheben.

Haus um Haus entsteht in Niederbipp BE. Den Bauboom befeuern grosse Schweizer Immobilienunternehmen - und dies bringt viele Gemeinden in Schieflage.

Niederbipp
Legende: Niederbipp wächst und wächst. Das bringt die Gemeindefinanzen in Schieflage. SRF

Denn das Wachstum kostet oftmals mehr Geld, als es einbringt. Umso mehr, wenn Altlasten dazukommen. «Unsere Infrastruktur wurde in den letzten Jahren vernachlässigt. Dazu kommen grosse Sachen wie den Ausbau der Schule. Dort sprengt es uns alle Nähte», erklärt die Gemeindepräsidentin von Niederbipp, Sibylle Schönmann (SVP).

Planlos eingezont

Das Problem: Vor zehn Jahren hat die Ortschaft am Jurasüdfuss grosszügig Bauland eingezont. Und die Folgen zu wenig bedacht. Jährlich sind 100 bis 150 Personen zugezogen. Nun leben statt rund 4000 über gut 5300 Personen in der Gemeinde.

Profile in Niederbipp
Legende: Ob für Schulen oder Strassen: Wegen der Bautätigkeit kämpft Niederbipp mit Mehrausgaben. SRF

Aber längst nicht alle Zuzügerinnen und Zuzüger sind gute Steuerzahlende. «Wir haben auch gute Steuerzahler. Aber das steuerbare Einkommen und Vermögen pro Kopf ist grundsätzlich deutlich gesunken. Die Leute arbeiten oft nur noch Teilzeit und investieren lieber, als Vermögen anzuhäufen», führt Schönmann aus.

Den Preis bezahlt die Bevölkerung: Niederbipp hat eine Steuererhöhung beschlossen, um die stetig steigenden Kosten decken zu können.

Gemeinden planen Steuererhöhungen

Ein höherer Steuerfuss droht auch dem 5000-Seelen-Städtchen Huttwil. Der Ort hat mittlerweile 500 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als noch vor zehn Jahren. Die Gemeinde kämpft jedoch mit den negativen Folgen der Baubooms.

Geldpolitik verschärft Problem

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Als Treiberin des Baubooms gilt auch die Geldpolitik der Nationalbank seit 2015 mit den Negativzinsen. Sie führt dazu, dass Banken, Pensionskassen und Versicherungen Bauland kaufen und überbauen, egal, ob jemand dort wohnen will oder nicht. Folge: Die Zersiedelung nimmt zu, der Leerwohnungsbestand auch. In der Schweiz hat sich dieser seit 2009 verdoppelt.

Viele Häuser und Wohnungen stehen weiterhin leer. Unter dem Schlagwort «Huttwilisierung der Schweiz» steht der Ort mittlerweile als nationales Negativbeispiel für die überbordende Bautätigkeit. Nun prüft auch Huttwil für das Budget 2023 eine Steuererhöhung.

Profile
Legende: In Huttwil sind viele Häuser in die Höhe gezogen worden. Nun stehen etliche Wohnungen leer. Keystone

Noch drastischer ist die Lage in Köniz BE. Die Berner Vorortsgemeinde mit über 42'000 Einwohnenden verzeichnete in den letzten zehn Jahren ein Wachstum von über acht Prozent. Die Finanzen sind aus dem Ruder gelaufen. Köniz braucht dringend Geld. Etwa für den Schulraum. Und das Wachstum ist nicht zu bremsen. In der dritten Abstimmung muss das Volk im Juni einer Steuererhöhung zustimmen. Sonst kommt Köniz unter Zwangsverwaltung des Kantons.

«Gemeinden fehlt Strategie»: Das sagt die Expertin

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Legende: Christine Seidler. SRF

Wegen des Baubooms geraten immer mehr Gemeinden in eine Wachstumsfalle. Christine Seidler, Professorin für Raumplanung an der FHGR, erklärt, warum das so ist.

Viele Gemeinden müssen trotz starkem Bevölkerungswachstum die Steuern erhöhen. Wie kann das sein?
Wachstum ist eben nicht nur mit höheren Steuereinnahmen verbunden. Sondern Wachstum kostet: Man muss Infrastruktur bereitstellen für Schulen, Strassen, Abwasser. Die Verwaltungskosten steigen. Wachstum ist immer mit einem Preis verbunden.

Aber Zuzügerinnen und Zuzüger bringen doch Geld und Einkommen mit, was zu höheren Steuereinnahmen führen sollte. Warum geht die Rechnung trotzdem nicht auf?
Vielen Gemeinden fehlt die Gesamtentwicklungsstrategie. Sie überlegen sich zu wenig, was für Leute sie anziehen wollen. Wirtschaftsentwicklung und Raumplanung wird nicht aus einer Hand geplant, aber diese Disziplinen gehören zusammen. Denn Raumplanung heisst nicht verwalten, sondern gestalten.

Erklären Sie das.
Wie wollen wir uns entwickeln? Was sind unsere Ziele? Um solche Fragen sollten sich die Gemeinden gemeinsam mit der Bevölkerung beschäftigen. So entsteht Qualität, nicht einfach Quantität.

Was sind die grössten Fehler der Gemeinden??
Einfach Bauland einzuzonen reicht nicht. Dieser Schritt sollte eigentlich erst am Schluss kommen. Jetzt ist es oft umgekehrt: Zuerst zont man ein und schaut dann, was passiert.

Bevölkerung wehrt sich

In Niederbipp ist derweil Gemeindepräsidentin Schönmann an allen Fronten gefragt. Denn bei der Bevölkerung wächst der Unmut über die ausufernde Bautätigkeit, obschon die Leerstände nicht so dramatisch wie in Huttwil sind. 700 Personen haben eine Petition «für ein lebenswertes Dorf mit einer sorgfältigen Entwicklungsplanung» unterschrieben.

Konkret fordern die Petitionäre «einen Marschhalt in der Bewilligungspraxis für grosse Bauprojekte». Nicht nur wegen der steigenden Kosten: Das Strassennetz im Dorf sei zu wenig ausgebaut und damit die Sicherheit der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Mit der schleichenden Zubetonierung drohe nichts weniger als der Verkehrskollaps.

Schweiz aktuell, 26.04.2022, 19:00 Uhr;

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