Die Angst vor der Vogelgrippe war gross. Nachdem es in Europa ab 2005 zu Ausbrüchen bei Tieren gekommen war, befürchteten Experten, dass das H5N1-Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden und es zu einer Pandemie kommen könnte. Die Pharmaindustrie in ganz Europa arbeitete mit Hochdruck an Impfstoffen.
Ein Impfstoff des Schweizer Pharmakonzerns Novartis wurde im Jahr 2007 in einer Klinik in der Stadt Grudziadz in Polen auch an Obdachlosen getestet – zum Teil ohne deren Wissen und Einverständnis. Einer der Probanden war Grzegorz S. Er reicht nun in der Schweiz Zivilklage gegen Novartis ein. Er sagt: «Keiner sagte uns, dass das ein Test eines neuen Mittels ist. Die ganze Zeit sagten sie, dass dies eine ganz normale Impfung gegen die normale Grippe sei.»
Keine Einigung vor Schlichtungsbehörde
Anfangs Juli fand in Basel das Schlichtungsverfahren statt. Wie der Anwalt von S. gegenüber «10vor10» bestätigt, wurde bei der Verhandlung keine Einigung erzielt. Anwalt Philip Stolkin klagt nun auf Genugtuung von 50'000 Franken und mindestens 50'000 aus dem mit dem Mittel erzielten Gewinn. Für den Rechtsanwalt ist klar, dass Novartis als Konzern haftet: «Es ist so, dass der Sponsor der Tests, derjenige also, der sie veranlasst und die Gewinne hat, für das Handeln seiner Hilfspersonen einstehen muss»
«Höchste Standards eingehalten»
Mit den Versuchen hatte Novartis ein in Deutschland und Polen ansässigen Unternehmen beauftragt. Novartis hält gegenüber «10vor10» fest: «Novartis hat sich verpflichtet, jederzeit höchste Standards einzuhalten, und verlangt das Gleiche von allen externen Partnern, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet.» Bei allen klinischen Studien von Novartis würden die in der Deklaration von Helsinki verankerten ethischen Werte und die Good Clinical Practice Guidelines beachtet, um die Gesundheit und die Menschenrechte von Patienten in der klinischen Forschung zu schützen, schreibt das Unternehmen.