SRF News: Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter, Sie sind viel in der Schweiz unterwegs. Wie nehmen Sie die Bevölkerung wahr?
Karin Keller-Sutter: Die Leute in der Schweiz, habe ich das Gefühl, sind mehrheitlich zufrieden. Das zeigt auch der aktuelle Wohlfahrtsbarometer. Und ich stelle fest: Längst nicht alle interessieren sich für Politik. Ich treffe immer wieder auf Personen, die nicht wissen, was eine Ständerätin ist und was man als Ständeratspräsidentin überhaupt tut.
Was sagen Sie dann?
Ich präsidiere die kleine Kammer, den Ständerat. Ich bin verantwortlich dafür, dass die Sitzungen reibungslos verlaufen. Die Leute meinen manchmal, man könne damit Entscheide allein fällen oder umstossen. Die Präsidentin hat diese Macht nicht, das muss man immer wieder erklären. Die direkte Demokratie ist für die Menschen in unserem Land eine permanente Weiterbildung. Indem sie sich mit Abstimmungen befassen, bilden sie sich politisch weiter. Das ist Weiterbildung on the job.
Was wird die Schweiz 2018 beschäftigen?
Politisch gibt es drei zentrale Dossiers: Unser Verhältnis zur EU – fast schon ein Dauerbrenner, neue Vorlagen für die Renten und die Unternehmenssteuerreform.
Beide Vorlagen sind letztes Jahr an der Urne gescheitert. Was ist Ihre Erklärung dafür?
Die Vorlagen, vor allem jene zur Rentenreform, waren schon im Parlament umstritten. Meine Lehre daraus: Wenn wir Parlamentarier uns so uneinig sind, kommt es an der Urne nicht gut. Bei den Unternehmenssteuern ist es uns nicht gelungen, den Inhalt richtig zu erklären. Das wäre an sich unser Job. Denn wer kauft schon Waren in einem Einkaufskorb, die er nicht kennt? Wir müssen nun beim zweiten Anlauf unsere Arbeit besser machen.
Was macht Ihnen als Politikerin Mühe?
Die mediale Hetze, bei der vermehrt Menschen direkt angegriffen werden, finde ich eine schlechte Entwicklung. Harte Auseinandersetzungen hat es immer gegeben. Neu ist die virale Verbreitung über soziale Medien. Schlimm daran ist, dass ich auch immer wieder Leute treffen, die mir sagen: Es würde sie im Prinzip interessieren, in die Politik zu gehen. Aber den Treibjagden auf Menschen wollten sie sich nicht aussetzen. Klar, in der Politik muss man sich ein dickes Fell zulegen. Aber es kann nicht sein, dass die Verrohung dazu führt, dass der Politik fähiger Nachwuchs verloren geht. Denn unser Land braucht genau das: Gute Politikerinnen und Politiker, egal aus welcher politischen Ecke, die das Handwerk verstehen, die Lösung erarbeiten und Kompromisse schliessen können.