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Kinderboom in der Schweiz Immer mehr Babys – doch die Hebammen fehlen

Über 89'000 Neugeborene erblickten letztes Jahr das Licht der Welt. Das sind rund 3000 mehr als in den Vorjahren. Doch die Betreuung vor, während und nach der Geburt wird immer schwieriger.

In der Schweiz gibt es rund 3400 Hebammen. Ein grosser Teil von ihnen ist über 50 Jahre alt und verfügt über einen grossen Erfahrungsschatz. Das zeigen die Zahlen des Schweizerischen Hebammenverbandes.

Dessen Geschäftsführerin Andrea Weber stellt fest: «Sowohl in den Spitälern, aber auch ausserklinisch, gibt es immer mal wieder Situationen, wo man von Hebammenmangel sprechen muss.» Zum Beispiel, wenn die Geburtsabteilung im nahen regionalen Spital geschlossen wurde, die verbleibende aber nicht aufgestockt hat.

Nicht mehr im selben Kanton

Oder, so Andrea Weber, wenn die Hebammen weite Strecken zurücklegen, um die werdenden und jungen Mütter auch an weniger zentral gelegenen Orten begleiten zu können. Beim Verband merke sie zum Beispiel, «dass sich Eltern bei der Geschäftsstelle melden, weil sie zu gewissen Zeiten im Jahr keine Hebamme finden. Aber auch teilweise, weil sie keine Hebamme mehr finden in ihrem Kanton, die sie zum Beispiel zur Geburt ins Spital als sogenannte Beleghebamme begleitet.»

Eltern melden sich bei der Geschäftsstelle, weil sie zu gewissen Zeiten im Jahr keine Hebamme finden.
Autor: Andrea Weber Geschäftsführerin Hebammenverband, SHV

Dabei geht es nicht nur um die Betreuung während der Geburt, sondern auch um die Kontrollen vorher und nachher zu Hause, damit zum Beispiel das Stillen stressfrei ablaufen und der Start ins Familienleben leichter gelingen kann. Andrea Weber blickt deshalb mit Sorge in die Zukunft.

Denn neben der Pensionierungswelle, welche auch im Hebammenberuf ansteht, rücken zu wenige junge Frauen in den Beruf nach. Zwar sind die rund 200 Ausbildungsplätze pro Jahr an den Fachhochschulen belegt. Doch das reiche nicht, bestätigt Beatrice Friedli, Leiterin des Instituts für Hebammen an der Zürcher Fachhochschule ZHAW. Gerade jüngere Hebammen blieben nicht lange im Beruf, wie Umfragen zeigten.

Zu wenige Praktikumsplätze

Das Interesse am Hebammenberuf sei zwar da. «Das bedeutet: Im theoretischen Unterricht könnten wir durchaus mehr ausbilden. Aber unser Problem ist, dass gesamtschweizerisch Praktikumsplätze fehlen.» In den Spitälern fehle dafür oft die Betreuung, in den Geburtshäusern und bei den freiberuflichen Hebammen werden Praktika meist nicht entlohnt.

Wir könnten durchaus mehr Hebammen ausbilden. Aber unser Problem ist, dass Praktikumsplätze fehlen.
Autor: Beatrice Friedli Leiterin des Instituts für Hebammen, ZHAW

Dabei könnten so die erfahrenen Hebammen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und somit auch die Sicherheit den Jungen weitergeben. In diesen Modellen seien die betreuten Familien und auch die Hebammen zufrieden, sagt Beatrice Friedli. Die Fachfrauen sind sich einig: Politik, Kantone und Spitäler müssten reagieren. Bei den Kantonen schreibt die zuständige Konferenz auf Anfrage, das Problem sei ihr bekannt.

Lösungen für einzelne Berufsgruppen machten aber wenig Sinn, da auch Praktikumsplätze in weiteren Berufen fehlten.

Rendez-vous, 30.05.2022, 12:30 Uhr

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