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Kinderspitäler am Limit Bettenschliessung in Kinderkliniken rächt sich

In den letzten Jahren wurden in Kliniken bis zu 15 Prozent der Spitalbetten geschlossen – mit verheerenden Auswirkungen.

Landesweit stecken die Kinderspitäler wegen der vielen Atemwegsinfektionen durch das RS-Virus in einer Notsituation. Kinder müssen in Notfall-Kojen ausharren, bis ein Bett für sie auf der Station frei wird. Andere Kinder müssen in weit entfernte Kliniken verlegt werden.

Der Bettenmangel ist auch selbstverschuldet, sagt der Vizepräsident des Vereins Pädiatrie Schweiz, Nicolas von der Weid. «Zehn bis 15 Prozent der Spitalbetten wurden in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen», sagt der Kinderarzt. «Diese Bettenschliessungen waren ein Fehler.» Von der Weid fordert, Betten und Pflegepersonal aufzustocken. «Wir brauchen eine Reserve für unvorhergesehene Fälle», meint von der Weid. «Medizin kann kein Geschäft sein.»

Von der Weid arbeitet am Kinderspital in Basel. «Letzte Nacht hatten wir 19 Spitaleintritte, die meisten wegen des RS-Virus. Das heisst, wir müssen auf der Bettenstation 19 Kinder finden, die wir nach Hause schicken können. Das ist dramatisch.»

Unterfinanzierte Kindermedizin

Gleiche Situation an der Kinderklinik beim Inselspital in Bern: «Wir haben pro Woche zirka 40 zusätzliche Aufnahmen», sagt Klinikleiter Matthias Kopp. Es fehle an geeigneten Plätzen für die Kinder.» Wir sind in einer Notsituation. Und wir müssen jeden Tag schauen, wem wir am besten helfen können», sagt der Kinderarzt in Bern.

Eine Mutter beugt sich über das Krankenbett ihres Babys.
Legende: RSV steht als Abkürzung für das menschliche Respiratorische-Synzytial-Virus. (Symbolbild) Keystone/EPA/Filip Singer

Daniela Brügger ist mit ihrem anderthalbjährigen Buben Luan um Mitternacht auf den Notfall gekommen. Er hustet, atmet schwer, nimmt kaum noch etwas zu sich. Ein Arzt untersucht ihn, der Verdacht auf das RS-Virus bestätigt sich. Doch es gibt kein Bett, auf das der kleine Luan verlegt werden könnte – alles voll. Erst nach zwölf Stunden wird das Kind auf die Bettenstation verlegt. Luan hängt an einer Sauerstoffflasche.

Für Klinikleiter Kopp zeigt das RS-Virus: In der Kindermedizin bestehe generell Handlungsbedarf. «Die Kindermedizin ist unter anderem im stationären Bereich, aber vor allem in der hochspezialisierten ambulanten Versorgung dramatisch unterfinanziert», sagt Kopp. Das Inselspital erreiche einen Deckungsgrad von etwa 60 Prozent.

Doppelschichten für Spitalpersonal

Neben Bettenmangel kämpfen die Kinderkliniken auch gegen Personalmangel – vor allem auf den Intensivstationen. Auch deshalb können zusätzliche Betten nicht in Betrieb genommen werden. Der Direktor weiss kaum noch, wie er die Personalnot bewältigen soll. «Zu der normalen Acht-Stunden-Schicht müssen zum Teil Doppelschichten gemacht werden», sagt der Leiter der Kinderklinik am Inselspital. Das heisst, Pflegende arbeiten 16 Stunden am Stück.

Pädiatrie-Präsident Nicolas von der Weid hält dies für keine geeignete Lösung. Rein rechtlich gesehen sind Doppelschichten in Ausnahmefällen möglich. Doch: «Das ist eine Katastrophe. Das erhöht alle Risiken. Die Fehler werden zunehmen», mahnt von der Weid.

Rundschau, 14.12.2022, 20:05 Uhr

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