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Kirche verliert Mitglieder Weniger Leute brauchen weniger Kirchen – umnutzen oder verkaufen?

Steigt die Zahl der Kirchenaustritte, wird die Infrastruktur weniger gebraucht. Ein teurer Posten, der Fragen aufwirft.

Fast 35'000 Menschen traten im Jahr 2021 in der Schweiz aus der katholischen Kirche aus – ein Rekord. Die reformierte Kirche verlor über 28'000 Mitglieder. Tendenz steigend. Die Zahl der Kirchenaustritte wirft Fragen über die Erhaltung und Nutzung der Infrastruktur der Kirchgemeinden auf. Gebäude wie die Kirchen selbst, Pfarreiheime oder Pfarrhäuser kosten viel, werden nämlich weniger genutzt.

Das jüngste Beispiel kommt aus der Stadt St. Gallen, wo momentan eine Redimensionierung der katholischen Kirchgemeinde vorangetrieben wird. Der Grundtenor aus der Bevölkerung: Ja, es muss etwas passieren, aber nein, nicht bei meiner Kirche oder meinem Pfarreizentrum. «Wir haben am Sonntag immer noch relativ viele Leute hier», sagt Alfons Sonderegger, ehemaliger Pfarrer einer betroffenen Kirche in St. Gallen.

Elf Pfarreien gehören zur katholischen Kirchgemeinde der Stadt – jede mit eigener Kirche, eigenem Pfarreizentrum und je nach Grösse mit Pfarrhaus. Deshalb will die Kirchgemeinde nur noch drei Standorte im Vollbetrieb lassen, acht Pfarreien sind von der Redimensionierung betroffen.

So will St. Gallen mit seinen Pfarreien in die Zukunft

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Weil sich die Bedürfnisse in der katholischen Kirchgemeinde in der Stadt St. Gallen in den letzten Jahren stark veränderten, wird weniger Infrastruktur benötigt. Was aber tun mit den übrig bleibenden Gebäuden?

Der Vorschlag der katholischen Kirchgemeinde: statt elf noch drei voll ausgebaute Standorte in Bruggen, im Neudorf und im Stiftsbezirk. In den anderen Quartieren wollen die Verantwortlichen die Infrastruktur zurückfahren. Dann stellt sich die Frage: Kirche oder das Pfarreizentrum? Verkaufen oder umnutzen?

Der Präsident der katholischen Kirchgemeinde St. Gallen Armin Bossart sagt, es gebe für jedes Quartier eine eigene Idee, die in 10 bis 15 Jahren umgesetzt werden soll. Einige Pfarreien sprechen mit der reformierten Kirchgemeinde über eine gemeinschaftliche Nutzung von Gebäuden, andere wollen die Aufgaben des Pfarreiheims in der Kirche integrieren.

«Eine Kirchenumnutzung ist eine Herkulesaufgabe – einerseits emotional, andererseits auch technisch, zum Beispiel punkto Denkmalschutz oder Zonenzugehörigkeit», sagt Bossart.

Während mehrerer Wochen konnten sich Interessierte zu den Plänen der katholischen Kirche der Stadt St. Gallen äussern. 44 Antworten sind eingegangen. Entscheide wurden noch keine gefällt.

Wie viele Kirchen braucht es überhaupt noch? Eine Frage, die bei katholischen und reformierten Kirchgemeinden ein Thema ist. Neu ist sie nicht, zumindest nicht überall. In England gebe es Umnutzungen schon länger, erklärt Theologin Sabrina Müller, die an der Universität Zürich zum Thema Kirchenentwicklung forscht: «Dort ist es viel weiter fortgeschritten. Ich ass einmal in einer Kirche, die zu einem Fussball-Pub umfunktioniert wurde.»

Kirchen werden wie Museen behandelt

In der Schweiz geht die Umnutzung oder der Verkauf von Kirchen langsamer voran, «weil wir es noch finanzieren können», sagt Müller. Die Finanzierungsfrage ist gemäss der Theologin die grosse Frage der Zukunft. Vor allem bei kleineren Kirchgemeinden.

Eine weitere Frage ist die technische Umsetzbarkeit. Viele Kirchen stehen unter Denkmalschutz. Theologin Sabrina Müller sagt: «Wir haben Gebäude, die wie Museen behandelt werden, was historisch auch stimmt. Aber das entspricht auf verschiedenen Ebenen nicht mehr den Bedürfnissen der Kirchgemeinde.»

Emotionale Bindung zu Kirchen gross

Neben möglichem Denkmalschutz ist eine Redimensionierung zudem eine Frage des Ortes. «In einer Stadt sind die Gebäude aufgrund der Lage eher attraktiv für einen Verkauf oder eine Umnutzung. Landgemeinden hingegen haben schon länger ein Problem. Ich denke, das könnte auch zunehmen», sagt Müller.

Die Umnutzung oder der Verkauf von kirchlichen Einrichtungen sei nach wie vor grösstenteils Zukunftsmusik, aber: «Man merkt, es passiert etwas.» Hier spielt die Emotionalität eine grosse Rolle. Gerade bei Kirchengebäuden, erklärt Sabrina Müller: «Auch Menschen, die nicht einen Gottesdienst besuchen, haben oft eine emotionale Bindung an ihre Kirche.»

Luftbild von Stein AR mit Kirche
Legende: In ländlichen Gemeinden könnte das Verhältnis zwischen Kirchen-Kosten und -Nutzen problematischer werden. Hier im Bild: Stein im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Keystone/Gaetan Bally

Die Theologin, die auch Kirchgemeinden berät, empfiehlt: «Eine Immobilienstrategie, die rentabel ist, weil man weiter mit rückläufigen Zahlen rechnen muss.» Alleine das Aufheizen einer Kirche könne 700 Franken kosten. «Ich bin keine Prophetin, aber man wird gewisse Kirchen umnutzen oder abstossen müssen.»

Für Kirchgemeinden können Gebäude eine grosse finanzielle Belastung sein. Das Problem dürfte sich weiter zuspitzen. Wie es in Zukunft weitergeht, ist offen. Oder wie es der ehemalige Pfarrer Alfons Sonderegger hoffnungsvoll sagt: «Wie es weitergeht, ist dem Herrgott überlassen.»

SRF1 Regionaljournal Ostschweiz, 10.04.2023, 17:30 Uhr ; 

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